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Tanz mit dem Engel

Tanz mit dem Engel

Titel: Tanz mit dem Engel
Autoren: Ake Edwardson
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der Brücke durchführen, war es Abend geworden. Die Lichter der Stadt waren überall. Weihnachten war vorbei, der Schnee stellenweise verschwunden. Die strenge Kälte hielt die Häßlichkeit wie auf einer Fotografie erstarrt fest.
    »Wenn einen einer fragt, sagt man, Ende Januar sei die scheußlichste Zeit des Jahres, aber wenn es dann soweit ist, dann ist es auch nicht schlimmer als sonst«, sagte Ringmar.
    »Nein.«
    »Das bedeutet, daß es einem entweder das ganze Jahr über furchtbar schlechtgeht oder daß man sich die ganze Zeit wie ein Prinz fühlt«, sagte Ringmar.
    »Ja.«
    »Ich wäre gern ein Prinz.«
    »So schlimm bist du doch wohl nicht dran?«
    »Vor langer Zeit habe ich für einen Moment geglaubt, ich wäre ein Kronprinz, aber dem ist nicht so.«
    Winter kommentierte es nicht.
    »Der Kronprinz bist du«, sagte Ringmar.
    Winter schwieg.
    »Wie alt bist du? Siebenunddreißig? Kriminalkommissar und siebenunddreißig, oder fünfunddreißig, als du es geworden bist. Das ist doch nicht normal.«
    Die Geräusche der Stadt waren jetzt deutlicher.
    »Das ist gut, Erik«, fuhr Ringmar fort, »das ist gut. Aber wenn ich selbst eine Hoffnung hatte, dann verflüchtigte sie sich auf dieser kleinen Konferenz.«
    »Was für einer Konferenz?«
    »Auf der Konferenz für alle, die immer noch weiterkommen wollen.«
    »Ach so, da«, sagte Winter.
    »Du brauchtest ja nicht mehr hinzugehen.«
    »Ja.«
    Winter reihte sich in den Verkehr zur Autostraße hinunter ein. Die Bewegungen der Autos ließen ihn an ein gewundenes, lautes Glühwürmchen denken.
    »Ich bin eigentlich kein Karrierist«, sagte Ringmar.
    »Warum redest du dann soviel davon?«
    »Ich verarbeite meine Enttäuschung. Das ist manchmal ganz natürlich, auch bei denen, die mit ihrem kleinen Los zufrieden sind.«
    »Du bist doch auch Kriminalkommissar.«
    Ringmar antwortete nicht.
    »In deiner Rolle als Öffentlichkeitsreferent hast du doch einen hohen Posten«, sagte Winter. »Du bist kein Prinz, sondern ein Held«, fuhr er fort und sog die Abendluft durch die Nasenlöcher ein. Der Wind war wie grobes Salz auf seinem Gesicht. Die Fähre prallte gegen den Kai.

2
    Er ging langsam die St. John's Hill nach Osten, rings umgeben von den Geräuschen von Clapham Junction, aber er hörte fast nichts. Die Züge waren größer und schneller geworden, aber die Geräusche eher geringer, dachte er.
    Er trat in ein Cafe, bestellte eine Kanne Tee und setzte sich dann ans Fenster. Er hörte die Stimmen der Bauarbeiter in der Ecke, die Männer nahmen lärmend ihr Frühstück zu sich, aber er lauschte nicht. Draußen gingen viele Leute vorbei, die meisten auf dem Weg nach Osten zur Lavender Hill und zum Kaufhaus. Arding and Hobbs ist immer ein Fest, dachte er. Das ist Harrods für die kleinen Leute, das wir hier geschaffen haben. Es sind die Einfachen und Armen, die südlich vom Fluß wohnen.
    Draußen hatten alle gerötete Wangen. Auch drinnen spürte er den Winter, am Geruch der Kleider und am Zug von der Tür, wenn sie geöffnet und geschlossen wurde. Die Nordwinde fegten über Südlondon hinweg, und wie immer traf es die Menschen unvorbereitet.
    Auf der ganzen Welt sind wir die Schlechtesten, wenn es gilt, vorbereitet zu sein. Uns hat die ganze Welt gehört, und wir haben nie etwas über Wind und Wetter gelernt. Wir glauben noch immer, daß das Wetter der Welt sich an britische Kleidung anpassen sollte, und wir werden uns nie ändern. Wir frieren uns blau.
    Kriminalkommissar Steve Macdonald versuchte, den Tee zu trinken, aber der war zu stark geworden. Wir trinken den meisten Tee auf der Welt, aber wir können ihn nicht zubereiten. Am Anfang ist er immer zu schwach und am Schluß zu stark, und dazwischen ist er zu heiß zum Trinken, und heute habe ich eine scheußliche Laune, und da kommen solche schwarzen Gedanken.
    »... und da hab' ich gesagt, das kostet dich ein Bier, du Schuft«, sagte einer der Bauarbeiter als Schlußeffekt einer Geschichte.
    Das ganze Cafe roch nach Fett, die Luft bestand aus Fett. Wenn Leute hereinkamen oder vom einen Ende zum andern gingen, hinterließen sie einen Abdruck. Das ist wie in Sibirien, dachte Steve Macdonald. Es ist nicht ganz so kalt, aber im übrigen ist der Widerstand in der Luft der gleiche.
    Er ging hinaus auf die Straße und zog das Telefon aus der Innentasche seines Sakkos. Er tippte eine Nummer und wartete, die Augen auf dem kleinen Display des Apparats. Er hob den Blick und sah Reisende aus dem Steinportal des Bahnhofs
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