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Tanz auf Glas

Tanz auf Glas

Titel: Tanz auf Glas
Autoren: Ka Hancock
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eine richtig große Sache daraus. Unsere Hommage an diese eigentlich vom Aussterben bedrohte Heringsart besteht darin, die Fische an Eichenplanken zu nageln, diese rings um ein großes Feuer aufzustellen und uns dann mit gegrilltem Fisch vollzustopfen, bis wir uns nicht mehr rühren können. Das ist nur eines der vielen Dinge, die mir am Leben in Brinley so gefallen.
    »Also, ich muss jetzt kleinen Jungen beibringen, wie man Bäume malt«, erklärte Jan lachend. »Und ihr beide seid schön brav.« Jan gab uns einen Kuss auf die Wange, und wir sahen ihr nach.
    Dann wandte sich meine Schwester mir zu, mit einem allzu breiten Lächeln, das ihre Sorge nicht verbergen konnte.
    »Und, wie ist es gelaufen?«, fragte sie und hakte sich bei mir unter.
    »Alles in Ordnung. Charlotte hat nichts Besorgniserregendes gefunden. Und Aretha hat gesagt, meine Titten sähen fantastisch aus.«
    »Ja, das klingt ganz nach ihr.«
    »Um ehrlich zu sein, hat sie gesagt, sie wären schöner als deine.«
    Lily lachte. »Ha, jetzt weiß ich genau, dass du lügst.« Meine Schwester war wunderschön. Sie hatte kurzes blondes Haar, so helle Haut wie Mom, und im Sonnenlicht wirkte sie beinahe durchscheinend.
    »Es ist also alles in Ordnung?«, fragte sie und wurde wieder ernst.
    »Bestens«, versprach ich mit einem leichten Husten.
    Sie lehnte den Kopf kurz an meinen, und ich spürte, wie sie vor Erleichterung schauderte. »Du lügst.«
    »Wie bitte?«
    »Ich weiß, dass sie dir das so schnell gar nicht sicher sagen kann.«
    »Ja, aber Charlotte hat nichts gefunden, worüber sie sich Sorgen machen müsste, also mache ich mir auch keine.«
    Lily sah mir mit bohrendem Blick in die Augen, als suchte sie darin nach einer verborgenen Wahrheit. Diesen Blick kannte ich schon unser ganzes Leben lang.
    »Mir geht es gut, Lily. Das fühle ich.«
    Sie nickte, entließ mich aber nicht aus diesem Blick. »Gut. Denn … du weißt ja, ich weigere mich, dich zu Grabe zu tragen, Lucy.«
    »Ich weiß«, sagte ich und drückte ihre Hand.
    An der Ecke lud George Thompson, der einzige Florist im Ort, Kartons voller eingetopfter Frühlingsblumen in den Kofferraum eines Cadillacs. Er brummte uns einen vagen Gruß zu, während er die Ladung mit finsterer Miene und etwas wirrem grauem Haar zurechtrückte.
    »Wie geht es Trilby, George?«, erkundigte sich Lily. »Fühlt sie sich schon besser?«
    »Nein, und sie ist unleidlich wie eine nasse Henne. Irgendwie ist es offenbar meine Schuld, dass sie sich den Fuß gebrochen hat. Dabei bin ich weiß Gott nicht derjenige, der unbedingt zu dieser Dance-Fitness musste, verdammt noch mal. Hör auf zu lachen, Lucy!«, schimpfte er. »Das ist nicht lustig!«
    Lily stupste mich mit dem Ellbogen an und sagte zu George: »Dann richte ihr bitte von mir aus, dass der antike Spiegel gekommen ist, den sie bestellt hat. Sie kann ihn jederzeit abholen, wenn es ihr bessergeht.«
    George hielt inne und richtete sich auf. Er schien nichts von irgendeinem antiken Spiegel zu wissen, und der Moment drohte gerade peinlich zu werden, als Muriel Piper zu unserer Rettung erschien.
    »Hallo, meine Süßen!«, krächzte sie. »Ist das nicht ein herrlicher Tag? Seht mal, was ich für eine Blumenorgie veranstalte.« Sie lachte kehlig. Muriel war eine wahre Matriarchin des Ortes, obwohl sie nie zugegeben hätte, dass sie auf die neunzig zuging. Sie trug eine Jeans mit Bundfalten, einen Kaschmirpullover mit Kapuze und so schwere diamantene Ohrstecker, dass sie die Ohrläppchen langzogen – ein lässiges Outfit für die Gartenarbeit, kein Zweifel.
    Muriel zog mich an sich und umarmte mich so fest, wie man es einer Frau in ihrem Alter nicht zugetraut hätte.
    »Lucy, du bist zu dünn. Du musst mich besuchen kommen, damit ich dir etwas kochen kann. Nie sorgst du richtig für dich selbst, wenn es Mickey nicht gutgeht.«
    »Er kommt am Freitag nach Hause. Und ich esse genug.«
    »Erst am Freitag? Da versäumt er ja Celias Gedenkgottesdienst morgen.«
    Ich nickte.
    »Na, dann komm eben am Wochenende mit ihm vorbei, damit ich ihn ordentlich drücken kann. Ich liebe diesen Burschen.« Sie wandte sich Lily zu. »Und deinen erst! Könnte ein Mann noch besser aussehen? Ach, du meine Güte!«
    »Ich richte ihm aus, dass du das gesagt hast, Muriel.«
    »Wag es ja nicht! Das wäre mir furchtbar peinlich. Nun muss ich mich aber sputen. Diese Blumen werden sich kaum selbst einpflanzen.« Muriel winkte uns zu und fuhr mit einem Kofferraum voller Petunien und Gerbera
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