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Tanz auf dem Regenbogen

Tanz auf dem Regenbogen

Titel: Tanz auf dem Regenbogen
Autoren: Kinky Friedman
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beunruhigende Kombination von Charaktereigenschaften, trotzdem schien er immer nach Hause zu finden. Vielleicht wachte Gott über Leute wie McGovern.
    An diesem Tag, während der Nachmittag kälter und grauer wurde, als der Morgen und die neolithische New Yorker Nacht schon auf ihre Beute wartete, maß ich seinem Verschwinden nicht allzu viel Bedeutung bei. Mit einem Hauch von Traurigkeit fühlte ich wie Mark Twain, daß Hawaii ein Ort war, der in meinem Herzen lag. 1865 war Mark Twain als junger Reporter nach Hawaii gereist, hatte dort die Inseln besucht und in Honolulu viele Menschen, Millionen Katzen und einen König getroffen. Er war der einzige regierende Monarch, den Twain in seinem ganzen Leben je zu Gesicht bekommen sollte, und einige Historiker glauben, diese Begegnung habe die Grundlage für sein späteres Meisterwerk Ein Yankee am Hofe des König Artus gebildet.
    So sehr Twain Hawaii auch liebte, an die Inselkette dachte und von ihr träumte, er sollte nie zurückkehren. 1895, fast dreißig Jahre später, segelte er ein zweites Mal nach Hawaii, durfte aber wegen einer Choleraepidemie in Honolulu nicht an Land gehen. Ich vermute, an einem grauen New Yorker Wintertag erscheint das Hawaii des inneren Auges dem, das Mark Twain von der Reling eines weit entfernten Schiffs auf See aus sah, sehr ähnlich.
    Der Nachmittag und Abend verflossen in einer trüben Brühe mit vielen medizinischen Schlucken Jameson Irish Whiskey aus dem alten Stierhorn, was der für rationales Denken zuständigen Abteilung auch nicht weiter zuträglich war. Ich war immer noch ziemlich zuversichtlich, daß McGovern, vermutlich mit der einen oder anderen grellen, spaßigen Anekdote, die sich in sein Pantheon infantilen Verhaltens einreihte, wieder auftauchen würde. Aber irgendwas an dem Verschwinden des großen Mannes so dicht am Wasser, ließ mich in dieser Nacht nicht los, so daß ich mich unruhig wie die rastlosen Wellen eines unendlichen Ozeans im Bett hin- und herwälzte.
    Ungefähr zur Faron-Young-Zeit, die von Dwight Yoakam und mir nach einem Hit des verblichenen Countrysängers auf vier Uhr morgens festgesetzt worden war, rief ich Hoover erneut an. Natürlich war es auf Hawaii noch nicht Faron-Young-Zeit. Es war noch nicht mal Cinderella-Zeit. Aber für mich war ausreichend Zeit vergangen, um mir mehr als nur ein bißchen Sorgen um das Rätsel auf zwei Beinen namens McGovern zu machen. Er war hochgradig unvorhersehbar, aber am Ende schaffte er es immer.
    Mit anderen Worten, man konnte zwar seine Uhr nicht nach ihm stellen, aber mit einer gewissen Genauigkeit doch wenigstens eine Sonnen- oder zumindest eine langsam laufende Sanduhr. Er war fast nie da, wenn man es sich wünschte, aber immer, wenn man ihn brauchte. Und, was vielleicht am wichtigsten war, er gehörte zu der seltenen Spezies von Menschen, die auf die Gefühle anderer Rücksicht nahmen. Diese Eigenschaft war es auch, die mir zu denken gab. Selbst wenn er in dieser Nacht jeden kleinen auf Waikiki verfügbaren Schirmchendrink getrunken hatte, hätte er es geschafft, seinem unglücklichen Gastgeber eine beruhigende Nachricht ins Ohr zu lallen. Aber der übliche betrunkene Anruf von McGovern bei Hoover war, meines Kenntnisstandes nach, noch nicht erfolgt, und mittlerweile waren achtundvierzig Stunden vergangen, seitdem der große Mann auf unerklärliche Weise im Paradies verloren gegangen war.
    »Grüße vom Ende der Nahrungskette«, sagte Hoover fast freudig, sobald ich ihn am Hörer hatte.
    »Hast du was von McGovern gehört?«
    »Scheiße, nein. Ich hab nur noch mal darüber nachgedacht und bin nicht mehr so besorgt, wie letzte Nacht. Klar ist es komisch, aber du kennst den Typ viel besser als ich. Vielleicht ist er zum Bodysurfen nach Maui.«
    »Damit McGovern effektiv bodysurfen kann, braucht er schon einen Tsunami.«
    »Stimmt«, sagte Hoover kichernd. Er war der einzig lebende, erwachsene Mann, von dem man wirklich sagen konnte, daß er kicherte. Frauen kichern nicht. Kinder kichern nicht. Die überwiegende Mehrheit der männlichen Bevölkerung dieses Planeten kichert nicht. Immerhin gibt es auch verdammt wenig zu kichern. Vielleicht hatte es auch etwas damit zu tun, daß Hoover seine Kindheit in Iowa verbracht hatte. Ich war mir nicht sicher, wie sensibilisiert Hoover seinem Kichern gegenüber war, und dies waren auch nicht die richtigen Umstände, um das Thema zu vertiefen.
    »Er war nicht deprimiert oder unglücklich?« fragte ich. »Hat er noch was gesagt, bevor
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