Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tanz auf dem Regenbogen

Tanz auf dem Regenbogen

Titel: Tanz auf dem Regenbogen
Autoren: Kinky Friedman
Vom Netzwerk:
er verschwand?«
    »Moment mal, laß mich kurz nachdenken. Er schien irgendwie abgelenkt, glaube ich. Ich erinnere mich noch, daß er sagte ›Ich würde gerne horizontalen Hulaunterricht bei der Lady, die gerade aus Denny’s by the Sea rauskommt, nehmen.‹«
    »›Ich würde gerne horizontalen Hulaunterricht bei der Lady, die gerade aus Denny’s by the Sea rauskommt, nehmen‹?«
    »Das waren seine letzten Worte. Dann kam ihr Typ raus, ein großer Samoaner. Noch größer als McGovern…«
    »Das ist unmöglich.«
    »Dann ging er rüber zur Statue des Duke. Weißt du, je mehr ich darüber nachdenke, glaube ich, daß er wahrscheinlich in einem Strandhotel sein Unwesen treibt. Vielleicht macht er auch Inselhüpfen und realisiert gar nicht, daß sein großzügiger Gastgeber sich Sorgen macht. Vielleicht hat er auch meine Telefonnummer verloren.«
    »Vielleicht verdrängst du da was«, sagte ich.
    »Das ist gut möglich«, sagte Hoover. »Ich bin die meiste Zeit meines Lebens am Verdrängen.«
    Bevor ich den Hörer auflegte, nahm ich Hoover das Versprechen ab, daß er mich sofort kontaktieren würde, wenn es irgendwelche Telefonanrufe, zweibeinige Walsichtungen oder überhaupt Informationen über den Verbleib eines gewissen Michael R. McGovern gäbe. In einem eher ambivalenten Zustand ging ich zur Espressomaschine, eröffnete die diplomatischen Beziehungen und lauschte dem glänzenden Edelstahlmonstrum, das etwa ein Drittel meiner kleinen Küche einnahm, wie es eine anglisierte Version von »Aloha Oe« summte, dem schwermütigen Abschiedslied, das die letzte hawaiianische Monarchin, Queen Liliuokalani, im Gefängnis schrieb. Auf diese Weise beobachtete ich wie das trübe Licht der Dämmerung sich in den Loft und die Welt schlich, lauschte einer hochgradig einfühlsamen Espressomaschine und nippte sporadisch den tröstenden, aus ihr entströmenden Nektar, paffte eine kürzlich wiederbelebte Zigarre und dachte darüber nach, was zum Teufel wohl als nächstes passieren würde.
    Es dauerte nicht lange, bis ich das herausgefunden hatte. Um viertel nach sieben gingen beide rote Telefone los, wie der Feueralarm in Zelda Fitzgeralds Sanatorium. Ich nahm hastig den linken Hörer ab, aber es war nicht Hoover. Es war eine schluchzende Stephanie, die aus Nassau anrief. Ihr sechzehn Jahre altes Malteserhündchen Pyramus, das während ihres Aufenthalts in Nassau bei Freunden in New York geblieben war, war letzte Nacht im Schlaf gestorben.
    Ich versuchte, die richtigen Worte zu finden, wie »Friede sei mit ihr« und »Sie hatte ein wunderbares Leben« und »Sie ist in Frieden gestorben« und »Ich und alle anderen Männer auf diesem Planeten haben sie um ihre Nähe zu dir beneidet«, aber in einer solchen Situation zieht nur sehr wenig. Sie plante, noch am Nachmittag für »die Beerdigung« nach New York zurückzukehren. Ich hatte noch nie der Beerdigung eines Malteserhündchens beigewohnt und würde dies wohl auch niemals tun, weil ich offensichtlich auch zu dieser nicht eingeladen wurde. Wäre ich eingeladen gewesen, hätte ich nicht gewußt, was ich hätte tun sollen. Es hat mich schon immer mit großer Traurigkeit erfüllt, eine starke, schöne, zuversichtliche Frau, von der man glaubt, man liebt sie, zusammenbrechen zu sehen.
    Ich ging ans Küchenfenster und beobachtete, wie die Vandam Street mühsam erwachte. Ich dachte daran, wie oft ich hier gestanden und zugesehen hatte, wie Pyramus und Thisbe selbstvergessen an Stephanies Stilettofersen in und aus meinem Leben gingen. Aus irgendeinem Grund mußte ich an etwas denken, was Stephanie mir mal erzählt hatte. Sie hatte gesagt, daß ein Schild mit »Keine Haustiere erlaubt« an einem Hotel oder Motel eigentlich bedeutete »Keine Freunde erlaubt«. Ich starrte immer noch auf die Straße, aber ich konnte nichts sehen. Es war, als hätte mir jemand Zimtöl in die Augen gegossen.
    »An diesem Morgen ist die Welt ein bißchen trauriger und kälter geworden«, sagte ich zu der Katze. »Ein kleiner Freund von uns ist gestorben und ein großer Freund wird vermißt.«
    Die Katze sagte natürlich nichts. Ihre ganze Aufmerksamkeit schien von einer Kakerlake, die gerade am Fensterbrett entlang lief, beansprucht zu werden.
    Ich sagte auch nichts mehr, denn ich hatte schon vor langer Zeit gelernt, die Trauer anderer nicht in Frage zu stellen. Es reichte schon, seine eigene Trauer in Frage zu stellen.

 
    5
     
     
     
    Der Tod von Pyramus, welch winzige Kreatur sie auch gewesen sein mag,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher