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Tante Dimity und der unbekannte Moerder

Tante Dimity und der unbekannte Moerder

Titel: Tante Dimity und der unbekannte Moerder
Autoren: Nancy Atherton
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ungestüm sprießenden Topfgeranien, die vor dem Wohnzimmerfenster des Crabtree Cottage herabhingen.
    Ich schauderte jäh, als ich mir vorstellte, wie sich die fröhlichen roten Blüten in der Blutlache spiegelten, dann drehte ich mich abrupt um und stapfte niedergeschlagen den schlammbedeckten Pfad hinunter, der mich nach Hause führen würde.
    Ich hatte den Abstieg zur Hälfte bewältigt, als das Pferd vor mir auftauchte.

2
    ER KAM AUS dem Nichts, ein mächtiger schwarzer Hengst, der wie ein führerloser Zug auf mich zujagte. Ich setzte dazu an, mich mit einem Sprung zur Seite zu retten, und vergaß in meiner Panik ganz, wie fest meine Regenstiefel im zähen Schlamm steckten. So sprang ich zwar, aber nur aus den Stiefeln, und schlug der Länge nach in einer gut durchmischten, breiigen Masse aus Laub vom Vorjahr und frischem Matsch auf.
    Während ich noch benommen dalag und in einem verzweifelten Versuch, nach Luft zu schnappen, den Mund auf-und zuklappte wie eine gefangene Forelle, brachte der Reiter sein Tier zum Stehen, stieg ab und ließ sich neben mir auf die Knie sinken.
    »Lori?«, rief er. »Mensch, Lori, bist du verletzt?«
    Eine behandschuhte Hand berührte mich an der Stirn, und ich sah über mir die dunkelblauen Augen des Mannes, dem ich vor etwas mehr als einem Jahr das Leben gerettet hatte.
    Bei unserer ersten Begegnung war Christopher Anscombe-Smith unrasiert, zottelhaarig, halb verhungert gewesen und war in Lumpen gehüllt gegangen.
    Seitdem hatte er sich gewaltig verändert.
    Das lag nicht zuletzt daran, dass er auf Anscombe Manor, dem an mein Grundstück grenzenden Anwesen, eine feste Anstellung als Stallmeister gefunden hatte. Er lebte dort in einer spärlich eingerichteten Wohnung gegenüber den Ställen. Er hatte sich den Bart abrasiert, das vorzeitig ergraute Haar kurz schneiden lassen, die Lumpen gegen eine strapazierfähige Arbeitskluft getauscht, und seine nur aus Haut und Knochen bestehende Gestalt hatte einiges an Fleisch und Muskeln aufgebaut. Sein Gesicht – sein ungewöhnlich schönes Gesicht –, das früher eingefallen und blass gewesen war, strahlte jetzt Gesundheit aus, und zwar aus jeder Pore. Der freundliche Teil von mir freute sich, ihn so gut erholt zu sehen.
    Der Rest von mir hätte ihn am liebsten erdrosselt.
    »Kit!«, keuchte ich. »Bist du wahnsinnig? Du hättest mich umbringen können!«
    »Lieber würde ich mich selbst umbringen«, murmelte er und zog den Reißverschluss seiner Regenjacke auf. »Hast du dir wehgetan?«
    »Mir geht’s prima!« Ich stemmte mich hoch, bis ich aufrecht saß, und holte Luft. »Es gibt nichts, was ich lieber täte, als mich in eiskaltem Matsch zu wälzen.«
    Kit wickelte mich in seine Jacke und half mir auf meine nur noch mit Strümpfen bekleideten Füße. Ich zuckte wie elektrisiert zusammen, als der Schlamm durch die dünne Stoffschicht drang und meine Haut eisig umschloss.
    »Kann ich bitte meine Stiefel haben?«, fragte ich zähneklappernd.
    »Ich binde sie an den Sattel«, brummte Kit.
    »Es ist besser, wenn ich dich nach Hause bringe.«
    »Auf Zephyr?« Voller Misstrauen beäugte ich das Pferd. »Danke, aber ich gehe lieber zu Fuß.«
    »So holst du dir den Tod!« Kit barg meine Regenstiefel und drehte das Pferd zu mir herum.
    »Bitte widersprich mir nicht, Lori. Ich fühl mich auch so schon schlimm genug.«
    »Aber …«
    Doch Kit erstickte meinen Protest im Keim, indem er mich in die Luft hob und auf den Rü cken des Pferdes verfrachtete, auf dem ich bedenklich schwankte, bis er hinter mir aufstieg und mir die Arme um die Taille schlang.
    »Lehn dich zurück«, wies er mich an. »Ich lass dich schon nicht fallen. Ruhig jetzt, Zephyr …«

    Zephyr fiel nun tatsächlich in einen ruhigen Schritt, und Kit hielt mich mehr oder weniger aufrecht, was allerdings nichts daran änderte, dass der Ritt bergab zu einer Strapaze ausartete.
    Ich war auch unter idealen Umständen eine erbärmliche Reiterin, und das steile Gelände forderte seinen Tribut, indem es selten benutzte Muskeln meines Körpers zu Höchstleistungen zwang, um zu verhindern, dass ich aus dem Sattel rutschte. Als Kit den Hengst am Apfelbaum in meinem Küchengarten festband, war ich mir sicher, dass ich nie wieder würde gehen können.
    Ich war auch schon drauf und dran, von Kit zu fordern, dass er mich ins Haus trug, doch dann bemerkte ich, dass Will und Rob uns vom Wintergarten aus mit weit aufgerissenen Augen beobachteten. Also zwang ich mich zu einem fröhlichen Lächeln,
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