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Tagebuch für Nikolas

Tagebuch für Nikolas

Titel: Tagebuch für Nikolas
Autoren: James Patterson
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wusste ja gar nicht, dass sie kam, und selbst wenn er es gewusst hätte - er wäre vielleicht nicht gekommen.
    Als Katie gerade zu den Taxis gehen wollte, entdeckte sie die Docks Tavern. Einen Moment lang blieb ihr das Herz stehen. Das musste doch ein Zeichen sein, oder? Es musste irgendetwas bedeuten. Statt ein Taxi zu nehmen, ging sie zu der Kneipe.
    War Matt da drin? Wahrscheinlich nicht, doch in der Docks Tavern hatte er die Verse gelesen, die in die Bar geritzt waren und die er ins Tagebuch aufgenommen hatte.
    Dunkel war es drinnen und ein wenig verraucht, aber eigentlich recht angenehm. Eine alte Wellington-Jukebox spielte einen Song von Bruce Springsteen. Ungefähr ein Dutzend Gäste standen an der Bar, und einige Leute saßen in den verwitterten, hölzernen Nischen zu beiden Seiten. Die meisten schauten zu Katie hin, als sie hereinkam. Sie wusste, dass ihr Haar schlecht saß, dass ihre Kleidung schlecht saß und dass dies nicht ihr Tag war.
    »Ich komme in Frieden«, sagte Katie und lächelte.
    Trotzdem war sie unglaublich nervös. Es war ungefähr drei Uhr nachts gewesen, als sie beschlossen hatte, nach Martha’s Vineyard zu fahren. Sie musste Matt einfach wiedersehen. Sie wollte in seinen Armen sein, wollte ihn festhalten, auch wenn es vielleicht nie so weit kommen würde.
    Ihr Blick schweifte langsam über die Gesichter, die direkt aus Sebastian Jungers Der Sturm zu stammen schienen. Ihr Herz schlug ein wenig schneller. Sie konnte Matt nicht entdecken. Gott sei Dank war er kein Stammgast, der sich hier jede freie Minute um die Ohren schlug.
    Sie ging zur Bar und suchte das eingeritzte Gedicht. Sie brauchte einige Zeit, bis sie es fand, am hinteren Ende des Tresens, neben einer Dartscheibe und einem öffentlichen Telefon. Sie las noch einmal die Worte:
    Die ersehnten Schiffe
    Kehren leer zurück
    Oder versinken im Meer,
    Und Augen voller Tränen
    Finden nimmer Schlaf.
    »Kann ich Ihnen helfen? Oder ist Ihr Interesse rein literarisch?«
    Beim Klang der Männerstimme hob Katie den Kopf. Sie sah den Barmann, Mitte dreißig, rotbärtig, rau, aber gut aussehend. Vielleicht selbst ein Seemann.
    »Ich suche jemanden. Einen Freund. Ich glaube, er kommt manchmal hierher«, antwortete sie.
    »Jedenfalls hat er einen guten Geschmack, was Kneipen angeht. Hat er auch einen Namen?«
    Sie atmete durch und versuchte zu sprechen, ohne dass die Stimme zitterte. »Matt Harrison«, sagte Katie.
    Der Barmann nickte, aber seine dunkelbraunen Augen wurden schmaler. »Matt kommt manchmal zum Abendessen hierher. Er streicht auf der Insel Häuser an. Sie sagen, Sie sind mit ihm befreundet?«
    »Er schreibt auch Bücher«, entgegnete Katie, die sich jetzt ein wenig in der Defensive fühlte. »Gedichte, wissen Sie.«
    Der Barmann zuckte die Achseln und blickte sie immer noch misstrauisch an. »Nein, nicht dass ich wüsste. Wie auch immer, Matt ist heute nicht da. Sie sehen ja selbst.« Schließlich lächelte der rotbärtige Mann sie an. »Nun, was darf ich Ihnen bringen? Sie sehen nach einer Cola light aus.«
    »Nein, nichts, vielen Dank. Könnten Sie mir sagen, wie ich zu Matt komme? Ich bin eine Freundin. Seine Lektorin.«
    Der Barmann überlegte einen Augenblick, dann riss er ein Blatt von seinem Notizblock ab. »Sind Sie mit dem Auto da?«, fragte er, während er irgendetwas aufschrieb.
    »Ich werde wohl ein Taxi nehmen.«
    »Die Taxifahrer kennen Matts Adresse«, sagte der Mann, ließ sich aber nicht näher aus. »Jeder kennt Matt Harrison.«
    AM FÄHRANLEGER STIEG Katie langsam in ein Taxi, einen rostigen, himmelblauen Dodge Polaris. Plötzlich war sie müde. Sie sagte zum Fahrer: »Ich möchte zum Friedhof von Abel’s Hill. Kennen Sie den?«
    Anstelle einer Antwort fuhr der Taxifahrer einfach los. Katie nahm an, er kannte jeden Ort auf der Insel. Sie hatte ihn bestimmt nicht beleidigen wollen.
    Abel’s Hill war gut zwanzig Minuten entfernt, ein kleiner, malerischer Flecken, der mindestens so alt und geschichtsträchtig aussah wie all die Häuser, an denen sie vorbeigekommen waren.
    »Es wird nicht lange dauern«, sagte sie zum Fahrer, während sie sich aus dem Rücksitz kämpfte. »Bitte warten Sie.«
    »Ich warte, aber ich muss den Taxameter weiterlaufen lassen.«
    »Das ist in Ordnung. Ich verstehe schon«, sagte sie und zuckte mit den Achseln. »Ich komme aus New York. Ich bin das gewöhnt.«
    Das Taxi wartete, während Katie langsam und ehrfurchtsvoll von Reihe zu Reihe ging und alle Grabsteine absuchte, besonders die
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