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Tagebuch für Nikolas

Tagebuch für Nikolas

Titel: Tagebuch für Nikolas
Autoren: James Patterson
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gestorben ist, aber wer weiß schon wirklich über diese letzten Sekunden Bescheid. Ich hoffe, dass sie keine Schmerzen hatte. Ich könnte den Gedanken, dass sie doch Schmerzen hatte, nicht ertragen. Es wäre zu grausam.
    Als ich sie zum letzten Mal gesehen habe, sah sie so hübsch aus, Nick. O Gott, ich möchte Suzanne wiedersehen, nur noch ein einziges Mal. Ist das zu viel verlangt? Ist es unvernünftig? Ich glaube nicht.
    Es ist mir wichtig, dass du weißt, dass es nicht Mommys Fehler war. Sie war eine sichere Fahrerin; sie wäre niemals ein Risiko eingegangen.
    Ich habe deine Mutter sehr geliebt, und ich kann dir nicht erklären, welch ein Glück es ist, eine Frau zu finden, die du so sehr lieben kannst und die deine Liebe erwidert.
    Sie war der großherzigste Mensch, den ich je kennen gelernt habe, der mitfühlendste und liebevollste. Vielleicht habe ich am meisten an ihr geliebt, dass sie eine sehr gute Zuhörerin war. Und sie war witzig. Sie würde einen Witz machen, in diesem Moment. Ich weiß es genau. Und vielleicht tut sie es ja. Lächelst du gerade, Suzanne? Ich möchte glauben, dass es so ist. Ich glaube, es muss so sein.
    Ich habe Mommy heute auf dem Friedhof auf Abel’s Hill besucht. Sie war erst siebenunddreißig, als sie starb. Wie traurig, wie unvorstellbar kommt mir das vor - und allen, die sie kannten. Manchmal macht es mich schrecklich wütend, und ich habe das seltsame und unerklärliche Verlangen, Glas zu zerbrechen. Ich weiß nicht, woher es kommt, aber ich möchte Glas zerbrechen!
    Heute Abend sitze ich in deinem Kinderzimmer und sehe, wie deine Clownslampe im Halbdunkel lustige Schatten an die Wand wirft. Das Schaukelpferd aus Eichenholz, das ich für dich gemacht habe, erinnert mich an das Flying Horses Carousel. Weißt du noch, als wir drei zusammen im Urlaub waren und auf den bunten Pferden geritten sind? Nikolas, Suzanne und Matt.
    Ich hatte dich vor mich aufs Pferd gesetzt und dich festgehalten, und es hat dir so viel Spaß gemacht, die Mähnen aus echtem Pferdehaar zu streicheln. Ich kann Mommy sehen, wie sie vor uns auf National Velvet reitet. Sie dreht sich herum - und da ist ihr berühmtes Zwinkern.
    Ach, Nicky, ich wünschte, ich könnte die Zeit zurückdrehen zur letzten Woche oder zum letzten Monat oder zum letzten Jahr. Ich kann es kaum ertragen, mich dem nächsten Tag zu stellen.
    Ich wünschte, es gäbe jetzt ein Happy End.
    Ich wünschte, ich könnte nur noch ein einziges Mal sagen: Ist es nicht ein Glück?
    Mein lieber kleiner Nicky,
    es gibt ein Bild von Suzanne, das mir immer wieder in den Sinn kommt. Es drückt aus, wer sie war und was so besonders und einzigartig an ihr gewesen ist.
    Sie kniet eines Abends auf der Veranda vor dem Eingang. Sie bittet mich um Vergebung, obwohl es gar nichts zu vergeben gibt. Wenn überhaupt, hätte ich sie um Verzeihung bitten müssen. Sie hatte an diesem Tag eine schlechte Nachricht bekommen, doch sie dachte nur daran, dass sie vielleicht mich verletzt haben könnte. Suzanne hat immer zuerst an die anderen gedacht, aber besonders an uns beide. Mein Gott, wie hat sie uns verwöhnt, Nikolas.
    Heute Nachmittag wurde ich durch einen unerwarteten Telefonanruf aufgeschreckt und aus meinen Gedanken und Träumereien gerissen.
    Er war für Mommy.
    Offensichtlich hatte jemand keine Ahnung, was passiert war, und zum ersten Mal kamen diese fremdartigen und schrecklichen Worte wie schwere Mühlsteine aus meinem Mund: »Suzanne ist gestorben.«
    Es gab ein langes Schweigen am anderen Ende der Leitung, gefolgt von leisen Entschuldigungen und nervösen Beileidsbekundungen. Es war der Mann vom Chilmark Center auf der anderen Seite der Insel, wo die Bilder gerahmt worden waren. Mommy war nie dort angekommen, und die Fotos, die sie für dich hatte rahmen lassen, waren immer noch in dem Laden.
    Ich sagte dem Ladenbesitzer, dass ich wegen der Fotos vorbeikommen würde. Irgendwann würde ich es fertig bringen. Ich stehe die ganze Zeit irgendwie neben mir. Ich fühle mich hohl und leer. Mir ist, als könnte man mich wie ein altes Papiertaschentuch zusammenknüllen und wegwerfen. Und dann wieder ist mir, als hätte ich einen Felsblock in der Brust.
    Ich konnte nie weinen, aber jetzt weine ich die ganze Zeit. Ich denke immer, dass mir irgendwann einmal die Tränen ausgehen, aber dem ist nicht so. Ich hielt es immer für unmännlich, zu weinen, aber jetzt weiß ich, dass ich mich geirrt habe.
    Ich gehe ziellos von Zimmer zu Zimmer und suche verzweifelt einen
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