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Täuscher

Täuscher

Titel: Täuscher
Autoren: Andrea Maria Schenkel
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Feuchtigkeit in sich aufgesogen. Johann Huther berührte den dunkel schimmernden Fleck. Der Boden fühlte sich pappig, klebrig an. Er sah auf seine Fingerspitzen, stutzte, dann richtete er sich auf. Sein Herz schlug nun genauso heftig, wie das des Vogels in seiner Hand geschlagen hatte. Mit beiden Händen fasste er die Bettdecke und zog sie mit einem gewaltigen Ruck zur Seite. Er fuhr zurück, ließ den Zipfel der Decke, den er immer noch in den Händen hielt, los. Vor ihm lag Clara Ganslmeier.
    Kriminalwachtmeister Wurzer, der wieder vor der Wohnungstür Posten bezogen hatte, hörte, wie Huther nach ihm rief. Gemeinsam schafften sie all die Kleider, Kissen und Decken, die noch auf dem Bett lagen, zur Seite. Die Tote war vollständig bekleidet. Sie trug ein Negligé, seidene Strümpfe und Pumps. Clara lag auf dem Rücken, die Beine am Bettrand entlang, der Oberkörper quer über dem Bett. Die Haltung war unnatürlich, abgewinkelt, so, als hätte jemand die herunterhängenden Beine des Leichnams zurück in die Bettstatt gehievt. Im Gegensatz zur Mutter hatte sie sich mit aller Kraft zur Wehr gesetzt. Überall Schnittwunden an den Händen, vor allem am Daumen und der Innenseite der rechten Hand. Sie musste mit bloßen Händen versucht haben, den Angriff abzuwehren, dem Täter das Messer zu entreißen.
    Das Kissen, auf dem der Kopf ruhte, war mit Blut durchtränkt. Ihre Augen standen einen Spalt offen, um den Mund und an den Wangen überall eingetrocknetes Blut. Die Haare der rechten Kopfseite, ebenso die rechte Halsseite, waren blutverschmiert. Am Hals klaffte eine Wunde.
    »Oh mein Gott, das ist die Clara!«
    Huther drehte sich um, hinter ihm in der Tür stand Bertha Beer.
    »Das ist sie! Das ist die Clara! Herrgott im Himmel und Jungfrau Maria, sei ihrer Seele gnädig! Das kann nur einer gewesen sein, das war der Lump, der Hubert! Den müsst ihr finden, nur der kann es gewesen sein!«
    »Wie kommt die Zeugin hierher?«
    Kriminalwachtmeister Wurzer zuckte mit den Achseln und schaute Huther seinerseits fragend an.
    »Herrgott! Wie kommt die Zeugin hierher?« Johann Huther wiederholte die Frage, diesmal lauter. Der Schutzmann, der halb verdeckt hinter Bertha Beer stand, meldete sich zu Wort.
    »Die Herren von der Gerichtskommission wollten mit ihr sprechen, darum hab ich sie hochbringen sollen. Ich denke mir, sie sollte die Leiche der alten Frau Ganslmeier identifizieren.«
    »Sie sollen nicht denken, Sie sollen die Frau hier rausschaffen!« Huther schnauzte den Polizisten an.
    Bertha Beer plärrte immer wieder: »Das war der Täuscher! Der Hubert war’s!« Innerhalb kürzester Zeit war die Wohnung gefüllt mit den Nachbarn aus dem Haus. Immer mehr Schaulustige drängten aus dem Stiegenhaus in den engen Flur.
    »Sind Sie deppert! Schauen Sie, dass Sie diese Person hier rausschaffen! Wie oft soll ich das jetzt noch sagen?«
    Huther brüllte mit hochrotem Kopf den Beamten, der Bertha Beer begleitet hatte, nieder. Der stand da, schneeweiß im Gesicht, und rührte sich nicht, während Bertha Beer unentwegt weiterkreischte.
    »Der Hubert, der Täuscher Hubert war’s!«
    »Herrgottssakrament noch einmal! Schaffen Sie endlich dieses Weiberleut hier raus!« Huthers Stimme überschlug sich.
    Kriminalwachtmeister Wurzer fasste sich als Erster, stellte sich zwischen Bertha Beer und Huther, drängte diese zurück in den Gang und schlug der immer hysterischer werdenden Beer die Zimmertür vor der Nase zu. Johann Huther stand derangiert im Raum, das Hemd hing aus der Hose, Mantel, Jackett, alles schmutzig vom Staub.
    »Dieses Weib, Zeugin hin oder her, wenn ich die noch einmal sehe, dann kann ich für nix garantieren. Herrgott, muss heute alles schiefgehen?«
    Wurzer hob Huthers Hut, der auf den Boden gerollt war, auf.
    »Hier, bitte schön, Herr Kriminaloberwachtmeister, der ist am Boden gelegen. Ich glaube, es ist der Ihre.«
    »Danke, Wurzer, ich hätte mich nicht so gehenlassen dürfen.«
    »Passt schon! Der Dr. Kimmerle ist noch nicht da, und der Dr. Walter ist eh ein unerfahrener Laff.«
    Beide warteten im Zimmer mit der Toten, bis sich der Mob vor der Tür langsam durch das Eingreifen der Kollegen der Gendarmerie auflöste. Der Geruch von Verwesung machte sich im Zimmer breit. Huther merkte, wie die Übelkeit in ihm aufstieg. Er verließ die Wohnung und blieb vor der Tür auf der Treppe sitzen, bis die Gerichtskommission ebenfalls alle Sachen zusammengepackt hatte, erst dann ging er zurück in sein Büro.
    Elsa und Clara
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