Taenzer der Nacht
Malone. „Das ist alles, was wir je von der Göttlichen Vision erblicken werden!“
„Ich freue mich, daß es dir gefällt!“ sagte John Schaef fer lächelnd. „Oh, ich verabscheue es“, sagte Malone. „Du verabscheust es? Warum denn?“ stieß John hervor und starrte Malone an. „Weil... weil... ach, ich glaube, weil ich 38 bin“, sagte Malone, „ich fürchte, darauf läuft es letzten Endes hinaus. Du hast das alles noch vor dir, und ich habe es hinter mir“, sagte er zu John Schaeffer. „Ich bin in der Mitte meines Lebens, mein Lieber“, fing er an, in einem tuntigen Tonfall zu reden, um sich selbst zu entmystifizieren und die Eigenschaften zu zerstören, in die sich John Schaeffer verliebt hatte. „Ich bin jetzt in meinen Wechseljahren, in der Lebensmitte. Ich frage mich, wie lange ich noch ohne Haartransplantationen auskomme, und ob Germaine Monteil wirklich gegen Krähenfüße hilft. Ich hab’s ge habt, ich bin durch die Mühle durch. Ich bin eine übersättigte Tunte. Aber du, mein Lieber, du hast diese Gabe noch, für deren Verlust das restliche Leben das Begräbnis sein wird – warum sonst, meinst du, machen diese grauhaarigen Männer“, sagte er und deutete auf seine Freunde auf der Tanzfläche, „so viel Geld, kaufen Häuser, machen Weltreisen? Warum sonst be schränken sie sich auf einen kleinen Kreis enger Freun de, einen Bauernhof auf dem Lande, und werden letz t en Endes normale Geschäftsleute, Ladenbesitzer, Innen dekorateure, die gern ihre Wohnungen voller Blumen haben, und daß ihre Freunde mit Air France angeflogen kommen, und einen hübschen Jungen zum Abendbrot? Alles nur, mein Lieber, weil sie nicht mehr jung sind. Weil sie nicht mehr in dieser magischen Welt leben, die für die nächsten zehn Jahre deine ist. Die Jugend endet in Amerika mit 30.“
Und John Schaeffer stand sprachlos da und wollte nichts davon hören, denn er liebte Malone. „Du hast zehn Jahre der Jugend vor dir“, sagte Malone in küh lem Ton, und drückte seine Zigarette auf einem Teller mit Aspik aus. „Ich bin ein Berufsschwuler. Woraus besteht denn das schwule Leben sonst“, sagte er und schaute auf die Tänzer hinunter, „als aus diesen kleinen elektrisch betriebenen Autos auf Volksfesten, mit denen man sich gegenseitig anrempelt und wieder abstößt?“ Er legte eine Hand auf John Schaeffers Schul ter und sagte in freundlicherem Ton: „Du darfst eines nicht vergessen, wenn ich dir irgendetwas weitergeben kann, wenn meine Jahre hier draußen für dich von irgend einem Nutzen sein sollen, dann merk dir dies. Vergiß nie, daß alle diese Leute vor allem visuelle Typen sind. Sie sind Designer, Schaufensterdekora teu re, Dressmen, Fotografen, Grafiker. Sie gestalten die Aus lagen bei Saks. Verstehst du? Sie sind visuelle Typen, und sie schätzen nur das Auge, und ihre Sün den sind, wie der Heilige Augustinus sagte, Sünden des Auges. Und da sie Leute sind, die auf der Oberfläche ihrer Augen leben, kann man auch nicht erwarten, daß sie Herz oder Geist haben. Es hört sich absurd an, aber so einfach ist das. Alles hier ist schön, und das ist es auch schon: schön. Erwarte dir nichts anderes, er war te dir keine Nahrung für irgendetwas anderes als deine Augen – dann wirst du wunderschön zurecht kom men. Du wirst genau wissen, woran du bist“, sagte Malone, mit seinem Arm um John Schaeffer, während sie beide die Menge der schönen Tänzer betrachteten.
„Aber ich will damit nichts zu tun haben“, sagte John Schaeffer jetzt und drehte sich zu Malone hin. „Ich möchte mit dir um die Welt reisen. Wohin auch immer du willst. Ich liebe dich“, sagte er jetzt.
„Ach du liebe Güte“, sagte Malone mit einem Lachen, und gleichzeitig lief ein Schauer durch seinen Körper. „Diese Worte. Streich sie aus deinem Vokabular, das spart dir eine Menge Ärger. Du liebst mich nicht. Ich bin eine Berufstucke. Was für andere Weisheiten kann ich dir noch weitergeben?“ sagte er in dem Bestreben, diese Situation zu überwinden. „Gleichgültigkeit ist das beste Aphrodisiakum“, begann er vorsichtig in dem Bemühen, in drei Minuten die Erfahrung von zehn Jahren in der Subkultur zusammenzufassen und sie für diesen Jungen sauber herauszuarbeiten, dem er jetzt die Fackel weiterreichte, „unterschätze nie den Wert der Teilnahmslosigkeit, sie bietet schließlich große Freiheiten. Versuche, nicht zu bewußt zu leben“, fuhr er fort, „oder zu kritisch zu sein. Hänge nicht herum und warte auf jemanden,
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