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Taenzer der Nacht

Taenzer der Nacht

Titel: Taenzer der Nacht
Autoren: Andrew Holleran
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Gleichmut eines Chemikers in einem Forschungslabor zusammen gemischt, daß er sich gar nicht mehr erinnern konnte, was eigentlich alles, und so langte er im Halbschlaf ein fach nach einer weiteren Pille. Er zog sich das Kissen übers Gesicht, und kurz darauf, während die entfernten Klänge von „Love’s Theme“ die Treppe hinauf und wieder hinunter in die Halle stiegen, hörte sein Herz auf zu schlagen.
    Der Gastgeber der „Grünweißen Party“ wurde – ge schweige, daß man sich bei ihm bedankt hätte –, erst Dienstag nachmittag entdeckt, als ein Journalist, der sich ein paar Tage freigenommen hatte, um sein Buch über die Schwulenbewegung zu beenden und dafür Sutherland interviewen wollte, den Raum betrat. Der Journalist fand auf dem Tisch neben Sutherland einen Zettel, den er hingelegt hatte, um Gäste abzuwimmeln, die etwa in sein Schlafzimmer gekommen wären, und auf dem nichts von Selbstmord stand; denn Sutherland hatte für Selbstmord wenig übrig, und noch weniger für Abschiedsworte: „Weckt mich nicht. Vielen Dank, daß Ihr gekommen seid. Ich ruf Euch an, wenn ich zurück in der Stadt bin. Viele Küsse.“ Ein Wald von X-en folgte, die wie Kreuze aussahen, aber Küsse sein sollten.
     
    Einem Brief zufolge, in dem Sutherland einmal das Begräbnis seiner Träume geschildert hatte, sollte er auf dem Hochaltar des Kölner Doms ausgestellt werden, wäh rend ein Orchester „Pavane für eine tote Infantin“ spielte; aber statt dessen wurde er zur Firma Frank E. Campbell an der Madison Avenue gebracht. Die To ten feier war genauso, wie Sutherland sie geliebt hätte, und alle waren da und nahmen teil, die für ihn sonst jenseits von gut und böse gewesen waren, aber die gut mit ihm in die andere Welt hätten tanzen können: die ganzen Leute, die Sutherland die „Hardcore-Titten wack ler“ nannte und mit denen er seit fast zwanzig Jahren getanzt hatte. Die Drogenhändler und die Astro logen und die Übersinnlichen kamen. In einer Woche, in der man wirklich viele schwule Beerdi gun gen erlebte, war die halbe Seventh Avenue da, und Leute, deren Namen man ständig in den Klatschko lum nen liest: ein Mann von Ha l ston’s las die Toten ansprache, und eine der beiden ägyptischen Erbinnen ein paar Zeilen von Schopenhauer, und dann wurde Sutherland verbrannt. Der Sarg wurde geschlossen hineingeschoben, was einen Friseur bei Cinandre auf die Frage brachte: „Aber weiß man denn auch, ob er wirklich tot ist?“ Andere kamen zu einem alten Freund von Sutherland (eine zurückgezogen lebende Queen, die für Sutherland das gewesen war, was er für Malone war) und behaupteten, der Tote schulde ihnen noch Geld. Andere – die alte Garde der New Yorker Parapsychologen, die immer noch derartige Dinge prak tizierten und es als besonderen Gunsterweis betrachteten, einen Dienst wie diesen anzubieten – fragten, ob sie uns mit Sutherland in Kontakt bringen sollten, jetzt, da er hinübergewechselt sei. Ein Profes sor führte aus, daß John Quincy Adams und Thomas Jefferson am gleichen Tag, dem 4. Juli, weniger als vier Stunden auseinander gestorben seien; und das Hin schei den von Malone und Sutherland in derselben Nacht war für viele Trinen genauso seltsam, und eher noch weniger zufällig.
    Und das ganze Gesindel, das Sutherland all die Jahre mit Drogen versorgt hatte, lief mit: die Dressmen, Illu stra toren, Penner und Stricher, Burschen wie Lavalava und die Spanische Lily, die nur fürs Tanzen lebten, die Yoga-Gurus und Brahmacharyis, die Antiquitäten händ ler und Drehbuchautoren, die Juweliere und Ärzte, die Psychiater und Gewichtheber, die Kellner und Werbetexter. Fast jeder glaubte, daß Sutherland sich umgebracht habe. Sie sprachen von Karma, und vom Sterben auf die Weise, in der man gelebt habe, und vom Zurückbekommen, was man gegeben habe. Schließlich hatte es auf der Party Angel dust gegeben, und niemand war unter dem Einfluß dieser Droge noch er selbst. Und so fuhren sie fort mit ihrem Klatsch, an diesem Abend und weiteren, die noch folg ten. Niemand kümmerte sich darum, auch nur eine dieser Interpretationen richtigzustellen; es war ja jetzt auch egal, zumindest für den Verstorbenen, dessen gespenstisches Gelächter wir immer hörten, wenn wir die Leute im Raum anschauten: diese Sprößlinge der South Bronx, die mit ihren Karrieren weitaus reicher und erfolgreicher geworden waren als Sutherland, wenn auch in Berufen, die für jemanden von Suther lands Erziehung unvorstellbar waren; denn Sutherland
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