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Suter, Martin

Suter, Martin

Titel: Suter, Martin
Autoren: Allmen und die Libellen
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Pause.
    »Und kappst darüber hinaus die Verbindung zu uns.« Pause.
»Tanner und mir.«
    »Mit Tanner habe ich nichts zu tun«, stieß Terry rasch
aus. Allmen widersprach nicht. Er ließ seinen Vorschlag wirken.
    Werenbusch überlegte. »Und Hirt?«
    »Der hält still. Er hängt mit drin. Egal ob mit einer
Libelle oder mit fünf.«
    Terry zog ein Taschentuch hervor und wischte sich übers
Gesicht. »Und was hast du davon?«
    »Ohne Beweisstücke bin ich kein gefährlicher Zeuge mehr.
Das entspannt einen kolossal, wenn man in einem Glashaus wohnt.«
    Das Argument überzeugte Werenbusch nicht. »Das würde es
auch, wenn du zur Polizei gingest. Was ist dein Vorteil?«
    Jetzt lächelte Allmen sogar, so siegessicher fühlte er
sich. »Von der Versicherung bekäme ich vierhunderttausend. Von dir
fünfhundert.«
    Johann Friedrich von Allmen hatte zum ersten Mal in seinem
Leben gefeilscht. Es fühlte sich, in diesem Fall und unter diesen Umständen,
gar nicht so übel an. Trotzdem hoffte er, dass sein Gegenüber nicht mit einem
tieferen Angebot konterte.
    Aber das Gegenüber tat nichts dergleichen. Es schürzte die
dünnen Lippen, wiegte den Kopf und fragte schließlich: »Kann ich darüber
nachdenken?«
    Allmen sah zu Carlos hinüber, der die ganze Zeit
bewegungslos dagesessen hatte. Er entdeckte die Andeutung eines Kopfschüttelns
und wandte sich wieder an Terry.
    »Nein.«
    Werenbusch nickte. »Wie? Wo? Wann?«
    »Wie: Wir übergeben die Schalen, du das Bargeld. Wo: Im
Hotel Seeschloss. Wann: Reichen dir zwei Stunden?«
    »Eine halbe Million bar in zwei Stunden? Die Bank schließt
in anderthalb!«
    »Was schlägst du vor?«
    »Morgen. Halb elf. Frühestens. Allerfrühestens!«
    »Sagen wir elf.«
     
    Das Seeschloss war ein tristes Gebäude aus den siebziger
Jahren in atemberaubender Lage, falls man den Postkarten glauben wollte, die an
der Rezeption auslagen. Es stand am äußersten Ende einer schilfbewachsenen
Landzunge, auf drei Seiten von Wasser umgeben, mit Blick auf die fernen Ufer des
Nachbarlandes und die fröhlich beflaggte Bodenseeschifffahrt.
    Herr Arnold hatte seine Frau, die einiges gewohnt war,
benachrichtigt, dass er über Nacht wegbleibe, und gesellte sich zu Allmen und
Carlos zum Abendessen im fast menschenleeren Hotelrestaurant.
    Das Essen - tranige Seefelchen im zu dicken Teig - verlief
wortkarg. Allmen und Carlos konnten in Herrn Arnolds Anwesenheit nicht über
das brennendste Thema des Abends sprechen, und so waren sie auf Konversation
angewiesen und Mutmaßungen über die Wetterentwicklung.
    Sie gingen früh zu Bett und verabredeten sich zum
Frühstück um zehn. Was sie nach Absprache mit der Kellnerin auf Viertel nach
neun vorverlegten. Frühstück gab es im Seeschloss nur bis halb zehn.
    Als Allmen sich allein in seiner »Suite«, einem etwas
größeren Zimmer mit einer Sitzgruppe und fleckigem Spannteppich, wiederfand,
fühlte er sich plötzlich so erschöpft und zerschlagen wie nach einem Rugbyspiel
vor dreißig Jahren im Charterhouse in Surrey.
    Er schlief tief, sorg- und traumlos, bis ihn sein
Reisewecker aus dem Schlaf riss. Es war acht Uhr.
    Es hatte aufgehört zu schneien, und die Wolkendecke war
durchsichtig und kurz davor, sich aufzulösen.
     
    Es roch nach übergekochtem Filterkaffee, der auf der
Heizplatte verdampfte. Im Frühstücksraum beendeten an je einem Tisch drei
einsame Geschäftsleute ihre Mahlzeit. Der Aufschnitt auf dem Büfett sah aus,
als hätte er die ganze Nacht dort gelegen.
    Allmen, Carlos und Herr Arnold saßen an einem der vielen
freien Fenstertische, tranken Kaffee, aßen trockene Semmeln mit Portionenbutter
und Portionenkonfitüre und sahen auf das Wasser hinaus und zum immer blauer
werdenden Himmel. Gesprochen wurde nicht viel.
    Kurz nach zehn verabschiedete sich Herr Arnold. Sie
hatten abgemacht, dass er etwas in der Gegend herumfuhr, bis ihn Allmen
anrufen und bitten würde, zum Seeschloss zurückzukommen. Allzu weit sollte er
sich nicht entfernen.
    Allmen und Carlos beendeten ihr Frühstück und verabredeten
sich auf zehn vor elf beim Empfang. Dort stand eine Sitzgruppe, in der Allmen
Terry erwarten würde. Carlos sollte sich in Sichtweite aufhalten. Den
Kopfhörer seines Handys bodyguardmäßig im Ohr.
    Um Viertel vor elf beglich Allmen die Rechnung für ihre
drei Zimmer, erhielt aber die Erlaubnis, seine Suite noch einmal für eine kurze
Besprechung benutzen zu dürfen. Eine Bitte, der er mit einem hübschen Trinkgeld
etwas Nachdruck verlieh.
    Dann setzte er
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