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Sushi Für Anfaenger

Sushi Für Anfaenger

Titel: Sushi Für Anfaenger
Autoren: Marian Keyes
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Samstagnachmittag in Dublin landete. Bei ihrem Abflug in London hatte sie törichterweise angenommen, dass sie sich kaum schlechter fühlen könnte, doch als sie einen Blick auf das regennasse Dublin warf, erkannte sie das Ausmaß ihres Irrtums.
    Dermot, der Taxifahrer, der sie in die Stadt brachte, machte ihren Kummer nur noch schlimmer. Er war gesprächig und liebenswürdig, und Lisa wollte keinen gesprächigen, liebenswürdigen Taxifahrer. Sie dachte sehnsüchtig daran, dass sie im Wagen eines verrückten Psychopathen im Besitz einer Schnellfeuerwaffe sitzen könnte, wenn sie nur in New York gelandet wäre.
    »Haben Sie Verwandte hier?«, fragte Dermot.
    »Nein.«
    »Einen Freund vielleicht?«
    »Nein.«
    Als sie keine Auskunft über sich gab, übernahm er das Gespräch.
    »Ich fahre unheimlich gern Auto«, vertraute er ihr an.
    »Ach nein«, sagte Lisa unfreundlich.
    »Können Sie sich vorstellen, was ich an meinen freien Tagen mache?«
    Lisa beachtete ihn gar nicht.
    »Ich fahre rum. Genau das mache ich. Aber nicht nur nach Wicklow, sondern richtig weit weg. Bis nach Belfast oder nach Galway, oder quer rüber nach Limerick. Einmal bin ich bis Letterkenny gekommen, das liegt in Donegal, müssen Sie wissen ... Ich fahre einfach sehr gern Auto.«
    Und so redete er immer weiter, während sie sich durch die nassen, schmutzigen Straßen langsam voranbewegten. Als sie bei dem Hotel in der Harcourt Street ankamen, half er ihr mit ihren Taschen und wünschte ihr einen angenehmen Aufenthalt in Irland.
    Malones Aparthotel war eine merkwürdige neue Züchtung auf dem Hotelsektor - es gab keine Bar, kein Restaurant, keinen Zimmerservice, es gab gar nichts , außer den dreißig Zimmern, jedes mit einer kleinen Küche. Lisas Zimmer war für vierzehn Tage gebucht, und danach, so war zu hoffen, hätte sie eine Wohnung gefunden.
    Wie benommen hängte sie ein paar Sachen in den Schrank, warf einen Blick auf die graue, belebte Straße und stürzte sich dann mutig hinaus in die feuchte Stadt, in der sie fortan wohnen würde.
    Jetzt, da sie angekommen war, traf sie der Schock mit unvorhergesehener Wucht. Wie hatte ihr Leben diese schreckliche Wendung nehmen können? Eigentlich hätte sie jetzt auf der Fifth Avenue flanieren sollen, statt in diesem durchweichten Dorf zu sitzen.
    In dem Stadtführer hatte sie gelesen, dass man nur einen halben Tag brauchte, um einen Gang durch Dublin zu machen und alle wichtigen Sehenswürdigkeiten zu sehen - als wäre das etwas Gutes! Und tatsächlich, zwei Stunden reichten vollends, um die Höhepunkte - das heißt die Einkaufsmöglichkeiten - rechts und links des Liffey zu erkunden. Es war schlimmer, als sie erwartet hatte: Nirgendwo gab es La-Prairie-Produkte, Schuhe von Stephane Kelian oder Geschäfte, die Designermode von Vivienne Westwood oder Ozwald Boeteng führten.
    »Es ist das letzte Loch! Ein Nest«, dachte sie leicht hysterisch, »und die Hilfiger-Modelle von vorgestern sind hier der letzte Schrei.«
    Sie wollte nach Hause. Sie sehnte sich so sehr nach London, dass ihr Herz einen Sprung machte, als sie durch den Regenschleier einen Marks & Spencer entdeckte.
    Normalerweise schlug sie einen großen Bogen um diese Geschäfte - die Kleider waren zu bieder und die Esswaren zu verlockend -, aber jetzt stürzte sie sich durch die Tür, als wäre sie ein verfolgter Dissident, der in einer fremden Botschaft um Asyl nachsuchte. Sie widerstand dem Drang, sich keuchend gegen die Tür zu lehnen, aber nur, weil es eine automatische Tür war. Dann tauchte sie in der Lebensmittelabteilung unter, die fensterlos war und wo sie ihren Fantasien freien Lauf lassen konnte.
    Ich bin in dem Marks & Spencer in der High Street in Kensington, redete sie sich ein. Und wenn ich hier rausgehe, gucke ich noch kurz bei Urban Outletters rein.
    Sie lungerte vor der Obsttheke herum. Nein, beschloss sie, ich habe es mir anders überlegt. Ich bin in dem am Marble Arch. Wenn ich hier fertig bin, gehe ich in die South Molton Street.
    Sie empfand es als seltsam tröstlich, dass die Palstikschalen mit Melonensalat in der Auslage vor ihr einen Teil der gleichen Diaspora bildeten wie die in London. Sie drückte die Zellophanhülle einer Schale ein und spürte - schwach, aber vorhanden - ein Gefühl der Vertrautheit.
    Als sie sich etwas beruhigt hatte, ging sie in einen normalen Supermarkt und kaufte für die kommende Woche ein. Gewisse Regelmäßigkeiten würden sie vor dem Wahnsinn bewahren; zumindest hatte es ihr bisher immer
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