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Susanne Barden - 03 in New York

Susanne Barden - 03 in New York

Titel: Susanne Barden - 03 in New York
Autoren: Helen D. Boylston
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reise mit Prospekten.«
    »Aber wie denn?«
    »Nun, zuerst entschließe ich mich, wohin ich fahren will. Dann lese ich in Reisebüchern über die betreffenden Länder. Manchmal« - sie errötete ein wenig - »manchmal lese ich sogar Abenteuerromane.«
    Susy blieb ernst. »Aber die Prospekte?«
    »Die kommen dran, wenn ich die Reiseroute festlege und die Schiffskabine bestellen muß. Früher pflegte ich Gesellschaftsreisen zu machen. Ich hatte ja nicht viel Geld und mußte mit einer kleinen Summe auskommen. Aber Gesellschaftsreisen sind auf die Dauer langweilig, und dann gewinnt man ja auch mit der Zeit Erfahrung. Jetzt reise ich für mich allein - auf Frachtdampfern und Trampschiffen.«
    Sie sprach von ihren Reisen, als wären sie Wirklichkeit, und Susy fragte unwillkürlich: »Ist das nicht zu gefährlich?«
    »Aber nein! Frachtdampfer sind vollkommen sicher und sehr bequem. Natürlich fahren sie nur langsam und bleiben manchmal lange in einem Hafen liegen. Aber dann kann ich an Land gehen, um mir alles anzusehen, und auf dem Schiff kann ich schlafen. Auf diese Weise komme ich sehr billig weg.«
    Anfangs glaubte Susy, daß Fräulein Weston viel Vergnügen an diesen Phantasiereisen haben müsse. Aber ein paar Tage später änderte sie ihre Meinung. Draußen war es kalt und regnerisch, und trotz ihres warmen Mantels kam sie ganz durchfroren bei Fräulein Weston an.
    »Sie zittern ja vor Kälte!« rief Fräulein Weston. »Machen Sie sich sofort etwas Kaffee. Die Kaffeedose steht in der Speisekammer.«
    Susy ging in die Speisekammer hinaus. »Hier stehen zwei Dosen mit Kaffee«, rief sie. »Welche soll ich nehmen?«
    »Bringen Sie eine her.«
    Susy brachte die Dose ans Bett. Fräulein Weston nahm den Deckel ab und sog den Duft ein.
    »Dies ist der richtige. Haben Sie einmal über den Duft von Kaffee nachgedacht, Fräulein Barden?« Sie wartete Susys Antwort nicht ab. »Er wächst in heißen Ländern am Äquator, wird durch grüne Dschungel getragen und dann in große Schiffe verladen, die nach Teer und Meerwasser riechen. Der Wind singt in den Tauen und heult in den Schornsteinen —« Die schöne Stimme brach ab. »Ach, ich bin eine Närrin - eine kindische, alte Närrin!«
    »Aber nein!« widersprach Susy. »Das dürfen Sie nicht sagen.«
    »Doch, doch. Ich quäle mich selber mit einer Sehnsucht, die niemals erfüllt werden kann. Ich bin eine alte Frau. Mein Leben ist bald zu Ende. Und ich werde ins Grab sinken, ohne jemals einen Fuß aus New York herausgesetzt zu haben. Niemals werde ich den Dschungel sehen, niemals den Wind über der weiten blauen Fläche des Ozeans brausen hören. Niemals werde ich ein fremdes Land sehen - niemals. Ich bin eine Närrin, das nicht zu begreifen.«
    »Wie leid mir das tut, Fräulein Weston!«
    »Ach, lassen Sie nur, Kindchen!« Sie sank in ihre Kissen zurück und sah plötzlich müde und erschöpft aus. »Ich bin eine dumme alte Person. Vergessen Sie, was ich gesagt habe.«
    Aber Susy vergaß es nicht, und eines Tages erzählte sie Fräulein Farrar von dem Traum der alten Dame. »Ich finde es - so unrecht«, schloß sie. »Da gibt es Organisationen, die arme Leute ernähren, sie kleiden, sie pflegen und ihnen Arbeit verschaffen. Die Jungen bekommen Stipendien und die Alten Pensionen. Aber dieser alten Dame hilft niemand. Sie wird sterben, ohne jemals gelebt zu haben, denn reisen ist für sie leben.«
    »Vielleicht könnte ihr doch geholfen werden«, meinte Fräulein Farrar nach kurzem Nachdenken. »Es gibt eine Agentur, die einen Fonds für besondere Fälle hat. Gehen Sie doch einmal hin. Ich schreibe Ihnen die Adresse auf.«
    Susy verließ sie in einem Freudentaumel. Sie sah Fräulein Westons weißes Haar vor einem Hintergrund von violett schimmernden Bergen und grünen Dschungelwäldern. »Und wenn ich nie wieder etwas tue, so werde ich doch zufrieden sein, dies getan zu haben«, dachte sie froh erregt.
    Sie beschloß Mittelamerika als Reiseziel zu wählen. Es lag am nächsten. Der Name beschwor Bilder von vergessenen Mayastädten herauf, von bunten Papageien, von hohen Palmen - alles Dinge, nach denen Fräulein Weston sich ihr Leben lang gesehnt hatte. Und die Reise würde nicht allzu teuer sein. Die Agentur würde sie Fräulein Weston bewilligen, wenn sie die Umstände erfuhr. Sie mußte es tun!
    Susy telefonierte mit einer Schiffahrtsgesellschaft, deren Dampfer nach der Karibischen See fuhren. Ein liebenswürdiger Mann gab ihr Auskunft. Ja, alle zwei Wochen fuhren Schiffe nach
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