Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Survivor 1.05

Survivor 1.05

Titel: Survivor 1.05
Autoren: Peter Anderson
Vom Netzwerk:
zu Ende zu bringen. Sie hatten damals mit verbundenen Augen geübt und sich dabei blaue Flecken und sogar Knochenbrüche eingehandelt.
    Ryan hörte das durchdringende Kreischen von Metall auf Metall, als Jabo das Schott aufschob und hinter ihnen wieder schloss. Gegen die Kraft Jabos, verstärkt durch den eisernen Willen der Elektronik in seinem Kopf, waren selbst die eingerosteten Angeln kein unüberwindliches Hemmnis. Und dank seines künstlichen Auges, das die Maschine ihm eingepflanzt hatte, hatte Jabo in der Dunkelheit genug sehen können, um sie richtig einzusetzen.
    »Wo sind wir?«, fragte Ryan.
    Erst jetzt bemerkte er, dass er das Schallgewehr noch bei sich trug. Er hatte es instinktiv umklammert gehalten.
    Dann vernahm er Jabos Stimme. Nur dass es wieder die Stimme der Maschine war – kalt, abgehackt, unmenschlich.
    »Überall-Schalter-Und-Terminals. Kann-Notstromversorgung-Herstellen. Warte-Zwei-Minuten.«
    Ryan wartete in der Dunkelheit. Er hörte Jabo rumoren, Schalter bedienen und Knöpfe drücken. Zwischendurch bebte wieder die Erde. Es krachte, knirschte und rumorte, als würden sich ganze Teile dieser unterirdischen Welt verschieben und neu ordnen. Auf Ryans Trommelfellen lag ein solcher Druck, dass er befürchtete, sie könnten jeden Moment platzen.
    Dann war das Nachbeben vorbei.
    Rotes Licht flammte auf.
    Es stammte von zwei Deckenleuchten, die sich drei Meter über dem Boden befanden. Der Raum, in dem Ryan sich befand, war vielleicht zwanzig mal zwanzig Meter breit.
    Und in diesem Raum hatte ein Massaker stattgefunden, wie nicht einmal Ryan es je zuvor gesehen hatte.

Kalifornien – 1992
    Baden verboten – Lebensgefahr!
    So stand es auf den Schildern, die um den See herum aus dem Ufer zu wachsen schienen. Niemand konnte sie übersehen.
    Der See war künstlich angelegt worden. Er diente als Notwasserreserve nach dem letzten großen Brand, denen auch einige Villen der Superreichen zum Opfer gefallen waren. Unter der trügerisch ruhigen Oberfläche verbargen sich tückische Gefahren: Bauschutt, Trümmer und Gerümpel, das unliebsame Zeitgenossen dort entsorgt hatten. Vor allem der Bauschutt aus den Neubaugebieten, die in den letzten Jahren rings um den See aus dem Boden geschossen waren, machte das Schwimmen und Baden zu einem lebensgefährlichen Wagnis, weil man sich unter Wasser nur allzu leicht an scharfkantigen Gegenständen schneiden oder in Stahlkabeln verfangen konnte.
    Ryan Nash und Tom Hawkins hatte das nie gekümmert. Für sie existierten die Warnschilder nicht.
    Tom war ein Junge aus kleinen Verhältnissen. Sein Vater war einfacher Angestellter – Industriemechaniker, wenn Ryan es richtig in Erinnerung behalten hatte –, und seine Mutter arbeitete halbtags in einem Supermarkt. Ihr Sohn Tom war Ryans bester und zurzeit einziger Freund.
    Was den Hawkins überhaupt nicht gefiel. Ryan konnte aus noch so guten Verhältnissen kommen – sie wussten um den schlechten Ruf des Jungen und fürchteten, er könnte einen nachteiligen Einfluss auf Tom ausüben. Sie hatten Tom sogar verboten, sich mit Ryan zu treffen. Der aber tat es heimlich, denn die beiden verband eine echte Freundschaft.
    Wie so häufig waren die zwei auch an diesem Abend mit Toms altem Pick-up an den See gefahren – mit ein paar Sixpacks Bier. Die leeren Dosen wollten sie im See versenken. Hier störte sie niemand. Hier gab es keine Cops, die ihnen das Biertrinken untersagten und sie nach Hause zerrten.
    Ryan hatte bereits die dritte Dose geleert und sich einmal mehr seinen Kummer von der Seele geredet. Tom stand ihm im Bierkonsum nicht nach, auch wenn er sie später beide nach Hause fahren wollte.
    Sie saßen auf der Ladefläche des rostigen Pick-ups. Ryan riss gerade eine vierte Dose für sich auf. »Mein Alter hasst mich«, sagte er. »Weil ich ihm nicht der Sohn sein kann, den er sich wünscht. Ich kann machen, was ich will, es ist nie gut genug für ihn. Ich hab’s wirklich versucht, aber es ist sinnlos.«
    Wirklich versucht war vielleicht nicht ganz der richtige Ausdruck. Die Abneigung war von Anfang an eine gegenseitige gewesen. Aber Ryan hatte seinem Stiefvater zumindest eine Chance gegeben, redete er sich selbst ein. Und umgekehrt? Hatte der je versucht, ihn zu verstehen?
    Tom nickte mitfühlend. »Und jetzt«, sagte er, »machst du genau das Gegenteil von dem, was dein Vater von dir erwartet.«
    »Was soll ich denn sonst tun?« Ryan nahm einen tiefen Schluck aus der Dose und wischte sich mit dem Handrücken über
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher