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Sumpffieber

Sumpffieber

Titel: Sumpffieber
Autoren: Vicente Blasco Ibañez
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einer der Ihrigen, der dies vollbracht hatte.
    Armer Sangonera! Die Kunde von seiner Erkrankung verbreitete sich schnell im Dorf, und die Frauen gingen in Grüppchen zu seiner trostlosen, bisher verfemten Baracke. Mit starren Augen und wachsgelbem Gesicht lag Sangonera in wilden Zuckungen auf dem Stroh und erbrach ekelhaft riechende Flüssigkeiten mit halbgekauten Speisen.
    »Wie geht's, Sangonera?« erkundigten sich die Gevatterinnen von der Tür aus.
    Keine Antwort! Nur ein Ächzen, ein Stöhnen! Und der Kranke, den diese Prozession an seiner Tür belästigte, drehte ihnen den Rücken zu. Andere Frauen, kühner, traten ein, betasteten niederkniend seinen Unterleib und fragten, wo es ihn schmerze. Dann diskutierten sie über die geeignetsten Mittel, suchten auch gewisse alte Frauen auf, deren Tränklein bei den Dorfbewohnern in größerem Ansehen standen als die Rezepte des Arztes.
    Nichts konnte Sangonera den Ernst seines Zustandes besser enthüllen als diese angelegentliche Fürsorge. Er erriet die Gefahr, als er sich von denselben Frauen betreut fand, die am Tage vorher seiner gespottet hatten und ihre Männer und Söhne auszankten, wenn sie mit einem solchen Liederjan zusammensaßen.
    »Armer Junge! Armer Junge!« hörte er sie alle murmeln.
    Und mit der Selbstverleugnung, deren nur die Frau angesichts des Unglücks fähig ist, drängten sie sich um ihn, sprangen über die widerliche Brühe, die in dicken Strahlen aus seinem Munde brach. Sie wußten Bescheid: er hatte einen »Knoten« in den Eingeweiden! Unter mütterlichem Schmeicheln brachten sie ihn dazu, seine vom Krampf aufeinandergepreßten Kinnladen zu öffnen, um ihn alle Arten wunderbarer Mixturen schlucken zu lassen, die er nach einem Weilchen seinen wohlwollenden Pflegerinnen wieder vor die Füße warf.
    Erst spätabends verließen sie ihn – das Abendessen zu Hause mußte angerichtet werden. Und der Kranke blieb hilflos in seiner Ecke, unbeweglich unter dem trüben Licht eines Lämpchens, das die Frauen in einen Mauerspalt gestellt hatten. Die Hunde aus dem Dorf schnupperten an der Tür, betrachteten ihn eingehend und liefen heulend von dannen.
    Während der Nacht waren es die Männer, die die Hütte besuchten. In Cañamels Taverne sprach man viel über das Ereignis, und die Kahnfischer wollten ihn noch einmal sehen.
    Mit wankendem Schritt – denn die meisten hatten sich auf Kosten ihrer Jagdherren betrunken – erschienen sie am Eingang.
    »Sangonera ... Kleiner! Geht's besser?«
    Aber sofort wichen sie zurück, angeekelt von dem Gestank dieses Bettes voller Unrat, in dem sich der Kranke wälzte. Einige, die sich einen brutalen Scherz nicht versagen konnten, luden ihn ein, bei Cañamel zum letzten Male mit ihnen zu trinken. Sangonera jedoch schloß die Augen und fiel von neuem in seine nur von Erbrechen und Krämpfen unterbrochene Apathie.
    Um Mitternacht blieb der Vagabund endgültig allein, von allen verlassen. Tonet wollte seinen alten Kumpan nicht sehen. Er war zur Taverne zurückgekehrt nach einem langen Schlaf in seinem Boot – einem tiefen, verdummenden Schlaf, manchmal brüsk hochfahrend aus einem schweren Alpdrücken und wieder eingelullt durch das monotone Geknatter der Schüsse, die in seinem Hirn als endloses Donnerrollen widerhallten.
    Als er die Kneipe betrat, war er betroffen, daß Neleta vor den Fässern saß – weiß wie Kalk, aber ohne die geringste Unruhe in ihren Augen, ganz, als läge eine friedliche Nacht hinter ihr. Woher nahm die Frau nur diese Energie? ... Sie tauschten einen Blick des Einverständnisses, wie Schurken, die sich durch das Band der Mitschuld noch enger verbunden fühlen.
    Eine lange Weile verging, ehe sie ihn zu fragen wagte, wie er seinen Auftrag ausgeführt hätte. Und leise, mit niedergeschlagenen Augen, als wären die Blicke des ganzen Dorfes auf ihn gerichtet, antwortete er:
    »Ich habe es an einem sicheren Ort gelassen. Niemand wird es entdecken können!«
    Nach diesen rasch gewechselten Worten blieben beide stumm, nachdenklich: sie hinter dem Schanktisch, er auf einem Schemel nahe der Tür; den Rücken Neleta zugekehrt, auf der Flucht vor ihren Augen. Ein ungeheures Gewicht lastete auf ihnen, und sie fürchteten zu sprechen, denn das Echo ihrer Stimme schien die Erinnerungen an die verflossene Nacht wieder aufleben zu lassen. Sie waren heraus aus dieser schlimmen Klemme, es drohte ihnen keine Gefahr mehr! Schwach und krank, brachte Neleta es fertig, auf ihrem Posten zu bleiben, so daß niemand
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