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Sumpfblüten

Sumpfblüten

Titel: Sumpfblüten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hiaasen
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Weise, die ihm unangenehm war.
    »Kann ich vielleicht so einen Mantel borgen?«, fragte er. »Oder ein Badelaken?«
    Bruder Manuel legte die Spitzen seiner langen rosigen Finger aneinander und hob an: »Schwester Shirelle und ich haben im Wald miteinander gebetet; wir sind aufs Eingehendste mit uns zurate gegangen, als wir ein geheimnisvolles Licht erblickten – wie ein Stern, der vom Firmament herabsteigt –, und dann, siehe, erschien dieser ermattete Seefahrer auf den Wassern. Zeigt ihnen Eure Hände, Bruder Boyd.«
    Die Stöhner schnappten bei dem Anblick nach Luft. »Er ist es!«, jauchzte eine der Frauen.
    »Nein, wartet!«, gab einer der anderen zu bedenken. »Das könnte auch dieser Wilderer sein – jener gesetzlose Heide, vor dem uns der Besucher mit dem Jungen gewarnt hat. Es hieß, er hätte eine verletzte Hand.«
    Bruder Boyd machte ein entsetztes Gesicht. »Ich bin kein Wilderer. Ich mache Telemarketing!«
    Schwester Shirelle sprang ihm hurtig bei. »Aber Er hat Wunden an beiden Händen, nicht nur an einer. Und Er ist allein übers Meer gekommen, wie Bruder Manuel es vorhergesagt hat, und hat Heil und Vergebung für alle weltlichen Seelen geladen. Seine lange, einsame Reise ist vorüber.«
    Eine weitere Stöhnerin hob den Arm. »Und was soll die Badehose?«
    Bruder Manuel, der spürte, dass der Zweifel sich einer Schlange gleich in seiner Herde wand, schob sich unauffällig an Bruder Boyd heran und flüsterte: »Ab hier übernehme ich.«
    »Hey, sind das da Steaks auf dem Feuer …?«
    »Schwestern, Brüder, vernehmet und freuet euch!«, befahl Bruder Manuel. »Heute erscheint Er uns ganz und gar so, wie Er vor mehr als zweitausend Jahren diese Welt verlassen hat – fast nackt und bloß, verwundet und mit lauterer Seele. Statt mit Dornen ist Er mit Licht gekrönt, dem Symbol der Hoffnung und der Wiedergeburt!«
    Hier breitete Bruder Manuel die Arme aus, um Bruder Boyd willkommen zu heißen, dem es, wie es den anderen Stöhnern scheinen wollte, einigermaßen an heiterer Gelassenheit mangelte.
    »Was quatscht ihr abgedrehten Vögel da eigentlich?«, verlangte er zu wissen.
    Schwester Shirelle nahm ihn sanft bei den Schultern und drehte ihn herum, so dass der Strahl der Stirnlampe auf das schmucklose hölzerne Kreuz fiel, das auf der Düne errichtet war.
    Bruder Boyd starrte. »Ihr wollt mich wohl verarschen.«
    Schwester Shirelle legte die vollen Lippen an sein Ohr. »Siehst du? Wir haben dich erwartet.«
    »Frohlocket! Er hat erschienen!«, krähte ein bärtiger Stöhner.
    »Nein, er ist!«, verbesserte dieselbe Frau, die vorhin den Kommentar zu Bruder Boyds Badekluft abgegeben hatte.
    Schwester Shirelle legte nach: »Kann es Zweifel daran geben, dass Er unser Heiland ist? Ist heute nicht Epiphanias?«
    Die Stöhner murmelten erregt durcheinander, dann meldete sich einer zu Wort: »Aber, Moment, Schwester – Epiphanias war doch Donnerstag.«
    »Auf ein paar Tage kommt es nicht an!«, dröhnte Bruder Manuel.
    Woraufhin spontane Ausgelassenheit losbrach und die Stöhner euphorisch um das Feuer herumtanzten und -sprangen. Cabernetflaschen wurden herumgereicht, und es dauert nicht lange, bis Bruder Boyd den Mut aufbrachte, Schwester Shirelle zu fragen, ob sie vorhätten, ihn an ihr selbst gebasteltes Kreuz zu nageln. Sie lachte gewaltig, zwickte ihn ins Kinn und meinte, er sei ein extrem knuffiger Messias.
    »Ich bin im Verkauf«, flüsterte er vertraulich.
    »Und außerdem noch Zimmermann, nicht vergessen.«
    »Komm schon, Süße, sag’s mir – wo ist dein Boot?«
    »Als ob Ihr so was nötig hättet«, gab sie mit einem Augenzwinkern zurück.
    Seine Stirnlampe beschien die blaue Schrift auf der Vorderseite ihrer weißen Robe. »Four Seasons, wie? Nicht schlecht«, bemerkte Bruder Boyd. »Genau meine Sorte Religion.«
    »Ist das Gänsehaut da auf Euren Armen?«
    »Ja, und wie. Ist arschkalt hier draußen.«
    »Also, wir können auf gar keinen Fall zulassen, dass unser Erlöser sich eine Lungenentzündung holt. Hier«, mit operettenreifem Schwung entledigte sich Schwester Shirelle ihres Hotelbade-mantels und hielt ihn ihm hin.
    »Gott segne dich«, sagte Bruder Boyd, dem ausnehmend gut gefiel, wie sich das anhörte. »Gott segne euch alle.«
     
    »Kratz mir ja nicht ab, du Riesentrottel«, sagte Honey Santana.
    »Langsamer.« Perry lag lang ausgestreckt und schwer atmend auf dem Boden des Bootes. Sie hatte ihm Louis Piejacks letzte Vicodintablette gegeben, doch er hatte trotzdem höllische

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