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Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition)

Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition)

Titel: Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition)
Autoren: Claudia Schreiber
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die ganz hellen Köpfe der Gegenwart, regelrechte Bildungskraftpakete!«
    Opa rülpste leise: »Wie pessimistisch diese Lehrer sind! Sie reden den Kindern ein, dass sie später nur schwer Arbeit finden, kaum Rente bekommen, teure Mieten bezahlen
müssen, sie sagen ihnen, dass das Benzin zur Neige geht, Urlaubsreisen seien eh nicht drin, der Wohlstand wird abgeschafft – dass ich nicht lache!«
    »Du hast ja keine Ahnung«, konterte seine Tochter. »Schau dir die Welt mal genauer an, es wird immer schwerer, da draußen zu überleben.«
    Doch er wetterte weiter: »Eine Zigarette lässt die Kinder gleich an Krebs verrecken, eine vernünftige Rauferei gilt als asozial, Sex ohne Gummi ist lebensgefährlich. Den
jungen Leuten macht ja nichts mehr Spaß im Leben!«
    Nette schüttelte den Kopf, aber ihr Vater ließ sich nicht beirren: »Die Kindheit ist verschwunden, das sag ich dir. Zu meiner Zeit gab es noch Kinderkleidung, heute laufen die
Kleinen herum wie Große, und die Erwachsenen kleiden sich wie Kinder! Es ist so niederschmetternd, den nackten Bauch einer alten Frau zu sehen, weil sie ein zu kurzes Hemd
trägt.«
    Opa schüttelte sich übertrieben angewidert, öffnete eine zweite Flasche, wieder fiel der Kronkorken auf den Fußboden, wieder hob Nette ihn auf und warf ihn in den Abfall,
Opa ploppte.
    »Von den Straßen verschwinden die Spiele, ja, mir scheint, viele wissen nicht mal mehr, was Gummitwist, Himmel und Hölle oder Verstecken ist. Oder siehst du noch Kinder auf der
Straße?«
    »Geht ja nicht, sie würden dort totgefahren.«
    »Heutzutage werden sie von erwachsenen Trainern kommandiert, gescheucht und zu Höchstleistungen gezüchtet. Ich sage dir ehrlich«, sagte Opa am Küchentisch und schwang
seine linke Faust in die Höhe, was er lange nicht getan hatte, »so furchtbar das ist, ich verstehe sogar diese Jungen, die in letzter Verzweiflung um sich schießen.«
    »Die Amokläufer? Ja, bist du denn verrückt?« Nette war nun endgültig überzeugt, dass ihr alter Vater nicht mehr bei Trost war.
    Der wetterte inzwischen laut weiter und warf vieles durcheinander: »Die Männer von heute dürfen keine Männer mehr sein, und ihr Frauen habt viel zu viel zu sagen! Alles nur
noch für Waschweiber, bla, bla, nichts mehr für uns kernige Männer! Scheißgesellschaft!«
    Nette zeigte ihm den Vogel: »Du alter Idiot, weißt du eigentlich, mit was für einer Angst die Lehrer heutzutage zur Schule gehen?«
    »Wovor haben sie denn Angst?«
    »Na, vor den Schülern, vor ihrer Aggressivität.«
    »Vielleicht ist die Schule ja selbst schuld daran?! Macht kaputt, was euch …«
    An dieser Stelle haben sich die beiden so in die Wolle gekriegt, dass Annie fürchtete, einer von beiden werde bald ein Messer ziehen oder mit echten Pistolen um sich ballern. Sie stand
zwischen den beiden Raufbolden und hatte das scheußliche Gefühl, diesen Streit verursacht zu haben, dabei hatte sie nicht ein Wort dazu beigetragen. Der Tisch war gedeckt, aber niemand
aß, und ihr war der Appetit vergangen. Nette hatte eben den Raum verlassen und die Tür mit einem lauten Krachen zugeschlagen, Opa öffnete die dritte Flasche Bier, der Kronkorken
fiel auf den Boden – er ploppte.

FURCHT
    I rgendwann hatte Paula entdeckt, dass der Chip nicht funktionierte, wenn sie Alufolie um ihren Unterarm wickelte. Der dünne Metallmantel
behinderte das Senden und Empfangen der Signale. Auf diese Weise verschwand sie öfter unbemerkt, zuerst war sie einfach nur am Ufer der Elbe entlangspaziert, später wagte sie sich
über die Loschwitzer Brücke bis in die Innenstadt. Dort stand sie glücklich an der Promenade und beobachtete die Menschen, schlenderte durch Boutiquen, setzte sich in Cafés.
Einmal jedoch verrutschte die Folie und riss ein, Paulas Standort wurde gesendet, als sie eben einen Flohmarkt besuchte. Keine zwanzig Minuten später stand der Vater vor ihr, packte sie am
Arm, fragte aufgebracht: »Weshalb kaufen wir das teure Ding, was glaubst du, weshalb?«
    »Ich will es nicht, ich hasse es.«
    Er drückte sie regelrecht an seine Brust, umarmte sie, küsste ihre Haare: »Ich habe mir solche Sorgen gemacht, solche Sorgen!«
    Sie wand sich aus seiner Umklammerung, er führte sie zu seinem Auto: »Hast du die Mädchen deines Alters vor Augen, die entführt und missbraucht werden? Dann weißt du,
wovor wir dich beschützen wollen, so gut wir können. Wenn du dich also bitte kooperativ verhalten würdest.«
    Er regte sich auf, als habe
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