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Sühneopfer - Graham, P: Sühneopfer - Retour à Rédemption

Titel: Sühneopfer - Graham, P: Sühneopfer - Retour à Rédemption
Autoren: Patrick Graham
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wohlgestalte Frauen in langen Kleidern, das Haar unter Häubchen versteckt, und bringen Brotlaibe und Krüge mit Wasser, das der Betrachter als kühl und klar und frisch erkennt. Über allem wölbt sich wie ein Regenbogen in Schönschrift die Aufforderung: »Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage braucht Ihre Spende.«
    Peter und Wendy betreten das Lokal. Drinnen riecht es nach Kaffee und Gebratenem. Der Saal hat sich nicht verändert. Hinter der Theke poliert eine alte Frau Gläser und stapelt sie auf einem Tablett. Sie blickt auf und betrachtet die Neuankömmlinge durch dicke Brillengläser.
    »Ich bin sofort bei euch, ihr Turteltäubchen.«
    Sie setzen sich an einen Tisch. Wendy flüstert amüsiert: »Sieht man das so deutlich?«
    »Was denn?«
    »Das Turtelige.«
    Die Gläser sind fertig poliert, und die alte Frau kommt zu ihnen, um mit einem Lappen den Tisch abzuwischen.
    »Was darf ich euch bringen, meine Hübschen?«
    »Zwei Mal das Frühstück bitte.«
    »Rührei mit Speck?«
    »Bitte nicht! Ich hätte gern Spiegeleier, wenn das geht.«
    »Und zu trinken, Miss?«
    »Dr. Pepper?«
    »Haben wir nicht mehr.«
    »Na gut. Dann ein Sprite.«
    »Okay, Sprite.«
    Mit schmerzverzerrtem Gesicht richtet die alte Frau sich wieder auf. »Dieser verdammte Rücken«, murmelt sie vor sich hin.
    Die Schwingtür zur Küche pendelt hinter ihr aus. Drinnen werden hörbar Töpfe und Pfannen auf den Herd gestellt, Butter beginnt zu brutzeln. Peter dreht sich zum Fenster. Der Wind blättert in einer Zeitung, die vor dem Bushäuschen vergessen wurde. Eine Gruppe Kinder ist über ein Absperrband geklettert und drückt die Hände in eine frische, noch weiche Betonplatte. Mit einem Holzstäbchen schreiben sie nacheinander ihre Namen hinein und bemerken nicht, dass sich von hinten zwei Männer in weißen Anzügen nähern. Die Männer sind sonnengebräunt und ihre Haare sehr lang und sehr blond. Sie tragen ein Lächeln zur Schau, das so aussieht, als dürfte es nie enden. Das einzige Mädchen der Gruppe sieht sie kommen. Sie springt rasch auf und presst die Schenkel zusammen, als müsste sie dringend aufs Klo. Kleinlaut schlüpfen die Kinder unter der Absperrung hindurch und stellen sich in einer Reihe auf. Der größere der beiden Männer trägt ein Buch unter dem Arm, das er jetzt aufschlägt. Während der ganzen Zeit, die er ihnen daraus vorliest, kneten die Kinder ihre Hände. Als er fertig ist, klappt er das Buch zu und streicht dem Mädchen über das Haar. Sie zuckt bei der Berührung unwillkürlich zurück. Dann geht er von einem Kind zum nächsten und kneift jedes in die Wange. Den Tränen nah, reibt sich jedes den roten Fleck, den die Finger des Mannes auf der Haut hinterlassen haben.
    Die Schwingtüren fliegen wieder auf. Die alte Frau bringt zwei dampfende Teller, die sie auf den Tisch stellt.
    »Kennen Sie eine gute Autowerkstatt in der Gegend?«, fragt Peter.
    Mit einem Blick auf die beiden blonden Männer, die jetzt die Straße überqueren, murrt sie: »Würde mich wundern, wenn Sie heutzutage überhaupt noch was finden, das offen hat. Schuld sind diese verdammten Endzeitapostel. Vor sechs Monaten sind sie hergekommen, und seither kaufen sie wie die Verrückten Häuser und Grundstücke in der Gegend auf. Sie haben bereits jede Menge Jünger geworben, angeblich ist sogar der Bürgermeister schon in ihr Lager gewechselt. Das wird der Grund sein, weshalb bei uns jetzt nicht nur sonntags alles geschlossen bleibt, sondern auch am Samstag. Den brauchen wir zum Beten, scheint es.«
    Der Blick der alten Frau kehrt zu Peter zurück.
    »Was fehlt dem Wagen?«
    »Er gibt eine Art Quietschen von sich, rechts unter der Motorhaube.«
    »Wie eine Kühlwasserpumpe etwa?«
    »Genau.«
    Ihre Augen füllen sich mit Tränen. Sie fährt sich mit den Fingern unter die Brillengläser, und mit erstickter Stimme fragt sie: »Was für ein Auto?«
    »Ein roter Honda Civic, zugelassen in Nashville, Tennessee.«
    Die Alte muss sich setzen. Sie sieht, wie Peter einen Zehndollar-Schein hervorzieht.
    »Tut mir leid, dass ich nicht früher vorbeigekommen bin, Mrs. Hoockney.«
    »Macht nichts, Junge.«
    Sie gibt sich keine Mühe mehr, die Tränen abzuwischen. Ihr Kinn zittert. »Du hast gewusst, dass mein Junge tot ist, oder?«, fragt sie.
    »Ja.«
    »Er fehlt mir so.«
    Peter ist aufgestanden. Er nimmt Mrs. Hoockney in die Arme. Sie riecht nach Rührei und Kaffee.
129
    Eine Staubfahne hinter sich herziehend fahren sie den ungeteerten Weg
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