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Sühneopfer - Graham, P: Sühneopfer - Retour à Rédemption

Titel: Sühneopfer - Graham, P: Sühneopfer - Retour à Rédemption
Autoren: Patrick Graham
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ab. Trumans Stimme ergießt sich aus dem Apparat. Als doch einmal eine Pause eintritt, fragt sie: »Was, Pfarrer Bigelow? Was für einen Floh hat er dir denn da ins Ohr gesetzt?«
    Wendy bläst gegen ihre Haarsträhne. Sie legt die Hand über das Mikrofon und flüstert Peter zu: »Mist, er fragt, ob wir vögeln.«
    »Hat er ›vögeln‹ gesagt?«
    »Ja.«
    »Wie unfein, der Typ.«
    »Was sag ich?«
    »Was würdest du sagen, wenn ich dir die Frage gestellt hätte?«
    »Truman? Die Antwort ist ja, aber das hab ich ja schon lang, lang vor dir getan, also ich schätze, es ist wohl so eine Art Nostalgiefahrt … Hallo?«
    Wendy verstaut das Handy in ihrer Handtasche. Sie streicht sich die Haare zurück und bindet sie am Hinterkopf zusammen. Sie haben die Interstate verlassen und fahren jetzt auf einer schmalen Straße zwischen Feldern entlang. Es beginnt nach Schlamm und Wasser zu riechen, und in der Ferne schimmert der Mississippi hier und dort zwischen Weiden hervor. Wendy blickt den Flusslauf entlang. Wo damals, zu Zeiten ihrer Flucht, der Fluss ein natürliches Ufer hatte, eine bewachsene Böschung, ragen heute betonierte Mauern auf. Ein gelbes Schild teilt mit, dass hier das Claiborne County beginnt. Nach Hastings sind es noch fünfzehn Meilen. Peter fährt an den Straßenrand und schaltet den Motor aus.
    Neben dem Brombeergestrüpp, bei dem Brunswick sie damals festgenommen hat, lädt ein an eine hölzerne Absperrung genageltes Schild zur Entdeckung des »Mississippi Camping« ein. Plastikabfälle wirbeln durch den Staub. Das Gewitter ist weitergezogen, über den Fluss.
    Bungalows verstellen das Ufer des Mississippi; die meisten scheinen unbewohnt. Auf einem Bootssteg schart sich eine Familie in Regenjacken um einen alten Mann im Overall. Er hält seine Angel ins Wasser und trinkt dazu aus einer Flasche in einer braunen Papiertüte. Die Wasserfläche ist bewegt von konzentrischen Kreisen, die überall entstehen, wo Schleien und Katzenfische die Mäuler aus dem Wasser recken und sich die vom Regen betäubten Insekten schnappen. Der Angler hängt einen Köder aus Brot und Käse an den Haken und wirft erneut die Schnur. Gleich darauf zieht er einen Katzenfisch aus dem Wasser – es sieht aus, als hätte er dem Fluss einen Brocken Fleisch entrissen, der jetzt am Haken zappelt. Der Mann legt die Angelrute ab und packt den Fisch an den Kiemen. Mit zwei Fingern spreizt er ihm das Maul und löst den Haken heraus, den er in ein Stück Kork drückt. Dann greift er seinen Eimer, nimmt einen Knüppel heraus und bringt den Fisch mit einem kurzen Schlag um.
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    Als sie über die eiserne Brücke von Hastings fahren, hält Peter den Atem an. Trotz des vielen Regens ist der Fluss beinahe ausgetrocknet. Entlang des Flussbetts laufen die Schienen der Eisenbahn, die Rangiergleise. Wo Barneys Schrottplatz war, stehen jetzt Lagerhäuser. Ein Stück weiter reihen sich Parkplätze aneinander, auf denen zwischen Fast-Food-Läden und einem schäbigen Einkaufszentrum Gebrauchtfahrzeuge auf Käufer warten. Wendy nimmt die trübsinnige Umgebung gar nicht wahr. Sie geht vollständig in Peters Gedanken auf. Sie nimmt seinen Schmerz in sich auf, macht ihn zu ihrem eigenen. Neugierig betrachtet sie diese kleine Flamme, die tief in ihr wächst. Bis Meadville war es nur ein kleiner Lichtpunkt. Seither aber strahlt und leuchtet es in ihr wie tausend Feuer. Sie schiebt eine Hand unter Peters Pullover, gleitet langsam seinen nackten Oberkörper hinauf. Sie spürt ihn atmen. Fühlt seinen Körper voller Muskeln und Leben.
    Peter stellt den Wagen vor einem Lokal ab, dessen in Kirschrot gestaltete Auslage neu wirkt. Eine Hinweistafel neben der Eingangstür preist das Frühstück an: Rührei mit Speck, Toast, Pfannkuchen, und Kaffee nach Belieben, 1 Getränk inklusive. Das Ganze für dreißig Dollar. »Sie werden satt, oder Sie erhalten Ihr Geld zurück.«
    Peter geht auf die Tür zu. Der große rote Briefkasten auf der anderen Straßenseite wird jetzt von Zeitungsständern flankiert, die Telefonzelle ist einem Bushäuschen gewichen, dessen Plexiglaswände mit allen möglichen Ankündigungen und Telefonnummern zugeklebt sind. Über allem hängt ein protziges Werbeplakat: endlose Getreidefelder, die sich bis zum Horizont erstrecken, und am Himmel weiche weiße Wolken, darunter hemdsärmelige Landarbeiter mit Strohhut und Sense, die lächelnd mähen und Garben binden. Sie haben sehr blaue Augen und lange blonde Haare. Im Hintergrund nähern sich
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