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Süden und die Schlüsselkinder

Süden und die Schlüsselkinder

Titel: Süden und die Schlüsselkinder
Autoren: Friedrich Ani
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noch einen Kaffee, und ich wart, bis der Adrian sich wieder meldet.«
    »Und dann?«
    »Ich schreib dann zurück. Die Karla soll mir mein Handy wiedergeben.«
    »Du besitzt kein Handy, Nepomuk«, sagte Süden.
    Der Junge schüttelte den Kopf.
    »Der Adrian wollt immer was schreiben«, sagte Fanny. »Das macht der dauernd. Wenn die Frau Hermann ihr Handy rauszieht, will er gleich was simsen, bei der Karla und der Yasmin auch, und beim Paul.«
    »Wer ist Paul?«
    »Der macht Zivildienst bei uns.«
    »Der ist nett, der Paul.« Nepomuk zog die Beine wieder auf die Couch und legte das Kinn auf die Knie.
    »Er ist also ein Simser, der Adrian«, sagte Süden.
    Fanny grinste und hüpfte durchs Zimmer. »Sims sims sims, simsalabim.«
    Jemand klopfte an die Tür. Süden öffnete. Karla stand draußen, mit dem rosafarbenen Handy in der Hand. »Er hat sich wieder gemeldet«, sagte sie. »Ich wollte ihn gleich anrufen, aber er hatte schon wieder die Mailbox eingeschaltet.« Sie gab Süden das Gerät.
    halo. bin daheim, schauen, ob die mama da is oder nicht. schüs.
    Süden gab Karla das Handy zurück. »Daheim ist bei ihm zu Hause?«
    »Das müssen wir überprüfen. Aber ich glaube, er meint etwas anderes. Seine Mutter wohnt vorübergehend in einer Pension beim Bahnhof, die heißt Hotel Daheim.«
    »Ich fahre hin«, sagte Süden.
    »Ich komm mit«, rief Fanny.
    »Nein«, sagte Karla. »Ich möchte, dass du dem Adrian eine Nachricht schickst, jetzt sofort.«
    »Kann ich auch unterwegs«, sagte das Mädchen. »Bitte nehmen Sie mich mit, Herr Süden, bitte, bitte.«
    »Nein«, wiederholte Karla und wartete auf eine Reaktion von Süden, der zum Fenster sah, vor dem dicke weiße Flocken fielen.

[home]
    4
    d
er süden sucht dich, du sollst sagen, wo du bist, alle denken, ich weiß was, ich weiß aber nichts, die fanny.
    Wie ein Süden ihn suchen sollte, begriff Adrian zuerst nicht. Süden war da, wo die Berge waren, und der Norden war oben bei der Autobahn nach Berlin. Nach dem vierten Lesen fiel ihm ein, dass Fanny mal von einem Polizisten gesprochen hatte, der so hieß. Adrian glaubte nicht, dass jemand tatsächlich so hieß.
    Gerade wollte er wieder eine Nachricht schreiben, da piepte es, und er zuckte zusammen. Ihm war klar, dass sie versuchen würden, ihn anzurufen, das hatte er vorher gewusst, aber er hatte sich nicht darum gekümmert. Das Wichtigste war gewesen, Karlas Handy zu klauen. Zwei Tage schmiedete er einen Plan, bevor er feststellte, dass er keinen brauchte. Er hatte herausgefunden, dass sie ihr Handy, anders als Yasmin oder Frau Hermann, nie abschaltete. Er musste also einfach nur warten, bis sie schlief, und in ihr Zimmer schleichen. Falls sie aufwachen sollte, würde er weinen und schluchzen und sagen, er hätte furchtbare Angst gehabt, dass er im Traum stirbt.
    Das hatte er seiner Mutter oft erzählt, und am Anfang hatte sie ihm geglaubt. Dann nicht mehr. Also weinte er, bis er einen Schluckauf bekam, aber sie legte sich nicht zu ihm, wie früher, und nahm ihn nicht in die Arme, wie früher. Sie schloss die Tür hinter sich, und er lag weiter im Dunkeln, mit bebendem Brustkorb und Fingern wie Eiszapfen.
    Bei seinem Vater hätte er erst gar nicht mit so einer Geschichte anzufangen brauchen. Sein Vater glaubte, wenn er Ohrfeigen verteilte, wäre er im Recht. Adrian hielt seinen Vater für einen Feigling, auch wenn er nicht genau erklären konnte, wieso. Jedes Mal, wenn sein Vater zuschlug, meist abends, wenn er aus dem Gasthaus kam, dachte Adrian: Du bist bloß feige. Daraufhin schlug sein Vater fester zu, als hätte er die Gedanken seines Sohnes erraten. Zwei- oder dreimal hintereinander haute er ihm eine runter, öfter nicht, das wusste Adrian inzwischen. Dann verschwand sein Vater in der Küche und schlug die Tür hinter sich zu. Wenn Adrians Mutter da war, brachte sie ihn ins Bett und sagte, sein Vater meine das nicht so. Wenn sie nicht da war, ging er allein ins Bett und dachte, sein Vater meine das genau so wie seine Mutter, wenn sie einfach wegblieb.
    Karlas Handy zu klauen war nicht schwer. Sie schnarchte leise. Fast hätte er ihr eine Weile zugehört. Er schloss die Tür so behutsam, wie er sie geöffnet hatte, schlich zurück in sein Zimmer, wo Nepomuk wie so oft im Schlaf seufzte und unverständliche Laute ausstieß. Das Handy versteckte er unter dem Kopfkissen. Um sechs Uhr wollte er aufstehen, alles war vorbereitet.
    Jetzt grübelte er eine Zeitlang vor sich hin, indem er das silberfarbene Handy
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