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Süden und der Straßenbahntrinker

Süden und der Straßenbahntrinker

Titel: Süden und der Straßenbahntrinker
Autoren: Friedrich Ani
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einschläfern lassen«, sagte der Mann und zerrte an der Leine. »Geh weiter, Xaver, los jetzt!«
    Tatsächlich drehte sich Xaver noch einmal zu mir um. Ich winkte ihm. Er bellte und bekam dafür von dem Mann einen Schlag auf den Kopf.
    In dieser kalten Nacht war ich froh, schnell ein freies Taxi zu erwischen.
    Bevor ich in meiner Wohnung den blinkenden Anrufbeantworter abhörte, zog ich mich aus und duschte. Danach ging ich nackt in den Flur und spulte das Gerät zurück.
    Martin hatte eine Nachricht hinterlassen. Und Ute.
    »Hallo«, sagte sie knapp. »Wo bist du? Warum rufst du nicht an? Pass auf, der Kerl, der da in der Zeitung von morgen abgebildet ist, der saß vor ungefähr einer Stunde in meiner Tram. Ich bin mir ziemlich sicher. Ich hab natürlich nicht auf ihn geachtet. Ich hab die Zeitung erst später gekauft, vorhin erst. Ich hab ihn an dem gelben Ding erkannt, das er anhat. So, das wars. Meine Pflicht als aufmerksame Staatsbürgerin ist damit erfüllt.«
    Dann hatte sie aufgelegt.
    Wie aus einem zwanghaften Impuls heraus öffnete ich das Fenster meines Schlafzimmers und sah hinunter in den Hof. Mindestens fünf Minuten. Dann fing ich an zu frieren und legte mich ins Bett.
    Franz Hrubesch. Kehrte der Schauspieler als gewöhnlicher Lügner allmählich in die Wirklichkeit zurück?

14
    » D er verarscht uns!«, sagte Rolf Stern, nachdem er meinen Bericht gelesen hatte. »Der weiß genau, was er tut, der spielt mit uns. Wir werden den hochkant und quer in die Mangel nehmen, diesen Simulanten!«
    »Spinnst du?«, sagte ich.
    In der Nacht zuvor hatte ich kaum geschlafen, um halb sechs war ich aufgestanden, hatte Kaffee gekocht und in übler Stimmung in der Küche gesessen, fast eine dreiviertel Stunde lang, bevor ich die Wohnung verließ, um durch die Stadt ins Dezernat zu gehen. Als ich ankam, gegen halb acht, arbeitete Stern schon an seinem Schreibtisch. Und anscheinend war seine Nacht auch nicht gerade erholsam gewesen.
    »Was?«, sagte er laut.
    »Der simuliert nicht!«, sagte ich.
    »Ist schon recht.« Stern feuerte die Klarsichtfolie mit den beiden Blättern auf einen Stapel, von dem sie sofort runterrutschte.
    »Verdammt!« Stern bückte sich, fegte dabei seine Tabakspackung und mehrere Stifte zu Boden und schlug sich das Knie am Tischeck an. Er schrie auf. Sein Telefon klingelte. Kurz hintereinander kamen die beiden groß gewachsenen Oberkommissare Braga und Gerke herein.
    »Servus!«, sagte Braga zu mir.
    »Servus!«, sagte Gerke.
    »Servus!«, sagte ich.
    »Wer ist das?«, schrie Stern ins Telefon. »Was will der jetzt in der Früh? Verdammt! Hallo? Stern, Kommissariat hundertzwölf…«
    Braga und Gerke hängten ihre Jacken an den Kleiderständer und grinsten ihren Chef an.
    Ich stand auf.
    »Bleib sitzen!«, sagte Braga. »Wir müssen eh gleich wieder los.«
    »Was ist mit der alten Frau?«, fragte Gerke, während er sich Kaffee eingoss.
    »Sie wartet darauf, dass die Leiche freigegeben wird.«
    Fast gleichzeitig sagte Stern laut ins Telefon: »Hängt davon ab, wann die Leiche freigegeben wird. Ja. Wiederhören!« Er knallte den Hörer auf, hustete und sah uns an, als wären wir verdammte Eindringlinge. »Das war der Vermieter von der Wohnung in der Wörthstraße. Der will wissen, wann die Wohnung entsiegelt wird, damit er sie weitervermieten kann, der Abzocker! Diese Typen ruinieren die ganze Stadt, jedes Viertel, was glaubt ihr, was der verlangt für die Wohnung, wenn er sie neu vermietet?«
    »Das Doppelte«, sagte Braga.
    »Darauf kannst du wetten, verdammt!« Stern streckte den Arm mit seiner leeren Tasse aus. »Füll da mal was rein, bitte!«
    Es war nicht ganz klar, wenn genau er meinte. Ich nahm ihm die Tasse ab.
    »Du nicht!«, sagte er genervt. »Du bist hier Gast, verdammt!«
    »Schlecht geschlafen?«, fragte Gerke.
    »Ich will meine Ruhe«, sagte Stern.
    Zur Beruhigung gab ich ihm seine Tasse mit heißem Kaffee zurück.
    »Danke«, sagte er.
    »Wann wird die Leiche freigegeben?«, fragte ich leichtsinnig.
    »Wenn wir mit diesem Simulanten gesprochen haben!« stieß Stern hervor. »Bring ihn her! Und zwar heute noch! Franz Hrubesch! Das ist doch nicht zu fassen!« Zornzerfurcht sah er seine beiden Mitarbeiter an. »Was macht ihr noch hier? Ihr habt einen Zeugen abzuholen!«
    »Wir sind auf dem Weg«, sagte Gerke.
    »Bis später!«, sagte ich und ging.
    Im Parterre traf ich Sonja Feyerabend, die gerade ins Gebäude kam. Sie trug eine schwarze Schirmmütze aus Leder und schwarze Stiefel.
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