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Süden und der Mann im langen schwarzen Mantel

Süden und der Mann im langen schwarzen Mantel

Titel: Süden und der Mann im langen schwarzen Mantel
Autoren: Friedrich Ani
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suchen würde, und wenn ja, was, ob ich aus Taging sei, wieso ich so eine komische, an den Seiten geschnürte Lederhose tragen würde, ob ich nicht mal zum Friseur gehen und mich ordentlich rasieren könne, was der blaue Stein, den ich an der Halskette trug, zu bedeuten habe, warum ich die dicke Mappe mit mir herumschleppte, ob ich bei der Hitze in der Lederjacke nicht schwitzen und wie ich heißen würde .
    »Das ist aber ein komischer Name«, sagte eines der Mädchen, das das Wort komisch schon mehrmals benutzt hatte.
    Ich schwieg und schaute mich weiter um .
    »Sprechen Sie immer so wenig?«, fragte ein anderes Mädchen.
    »Ja«, sagte ich.
    »Ich auch«, sagte der Junge plötzlich und sah mich einen Moment lang aus schmalen Augen und mit schiefem Mund an.
    »Dich hat gar keiner gefragt«, sagte ein Mädchen .
    Dann ereiferten sie sich über einen Geburtstag, zu dem sie neulich eingeladen waren und auf dem die Erwachsenen anscheinend ständig ekelhaftes Bier getrunken hatten. Mittlerweile hatte ich begriffen, dass die Mädchen den Jungen nicht kannten und auch nicht kennen lernen wollten, was ihm aber nichts auszumachen schien. Er kreiste um sie und mich herum, die Hände in zwei der zahlreichen Taschen seiner Dreiviertelhose, schob den Unterkiefer hin und her und grinste manchmal, wenn eines der Mädchen rechthaberisch laut redete .
    Und ich drehte eine Runde nach der anderen, stellte mir vor, wie Esther auf der Bank am Uferweg, die ich von einer bestimmten Stelle des Parkplatzes aus gut sehen konnte, saß und wartete, neben sich die Tasche mit ihrem Badezeug, und dann ihr Handy hervorholte. Sommerliche Wochenendstimmung. Hunde bellen, auf dem See schreien Ruderbootfahrer vor Vergnügen, es riecht nach Holz und Blüten und den eigentümlichen Ausdünstungen des Wassers, Eltern halten das Spiel ihrer Kinder mit einer Videokamera fest, Paare knipsen sich gegenseitig. Meinen Kollegen war es gelungen, einhundertzweiunddreißig Fotos und Dias sicherzustellen, die Besucher an jenem Nachmittag rund um den Bootsverleih aufgenommen hatten, dazu fünf Videos und einen Superachtfilm. Die Auswertung des Materials erbrachte keinen Hinweis.
    Es war, als sei das Mädchen nach dem Verlassen ihres Elternhauses unsichtbar geworden .
    »Wieso starren Sie dauernd zum See runter?«, fragte eines der Mädchen.
    Ich sagte: »Habt ihr die Anna Jagoda gekannt?«
    »Wen?«, sagten zwei Mädchen gleichzeitig .
    »Das Mädchen, das vor einem Jahr verschwunden ist.«
    »Das ist schon komisch, dass die einfach so verschwunden ist«, sagte das dritte Mädchen .
    »Wie heißt du?«, fragte ich.
    »Sue, Herr Süden. Und das ist Nele, und das ist Maria, und den da kennen wir nicht. Wieso läufst du uns dauernd hinterher, du?«
    Verlegen schaute der Junge zu Boden und vergrub die Hände noch tiefer in den Hosentaschen .
    »Hast du die Anna gekannt, Sue?«, sagte ich .
    »Wir sind nicht von hier«, sagte sie. »Wir sind aus Dietramszell, kennen Sie das, Herr Süden?«
    »Vom Durchfahren.«
    »Ich bin da auch schon da durchgefahren«, sagte der Junge zum Asphalt.
    »Na und?«, sagte eines der Mädchen, Maria oder Nele .
    »Bist du aus Taging?«, fragte ich den Jungen. Nach einer Weile nickte er.
    »Bist du ein Freund von der Anna?«, fragte mich Sue .
    »Nein, ich bin Polizist.«
    Mit einer synchronen Kopfbewegung sahen mich die drei Mädchen an, sogar der Junge hob neugierig die Brauen .
    »Sie haben viel zu lange Haare für einen Polizisten«, meinte Nele oder Maria.
    »Ich glaub auch nicht, dass Sie Polizist sind, Herr Süden«, sagte Sue.
    »Stimmt aber«, sagte ich .
    »Haben Sie einen Ausweis?«, sagte Sue .
    »Warum glaubst du mir nicht?«
    »Weil halt …«, sagte Sue, blickte Hilfe suchend ihre Freundinnen an, die sich jedoch gerade genierten und den Kopf krampfhaft gesenkt hielten .
    »Ich arbeite auf der Vermisstenstelle«, sagte ich .
    »Sind Sie bei der Soko?«, sagte der Junge abrupt und warf mir einen scheuen Blick zu .
    »Nein, ich bin nicht einmal für den Fall zuständig, Annas Vater hat mich gebeten, die Akten zu lesen.« Ich deutete auf den Ordner.
    »Warum?«, sagte Sue. »Wenn Sie gar nicht zuständig sind.«
    »Habt ihr eigentlich sonst nichts vor?«, sagte ich .
    »Sie haben uns immer noch nicht Ihren Ausweis gezeigt«, sagte Sue.
    Ich schätzte die Mädchen auf etwa acht, den Jungen auf neun oder zehn Jahre .
    »Keine Lust«, sagte ich.
    Sues Gesichtsausdruck verwandelte sich in die perfekte Kopie einer strafenden
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