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Süden und das grüne Haar des Todes

Süden und das grüne Haar des Todes

Titel: Süden und das grüne Haar des Todes
Autoren: Friedrich Ani
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Gläschen Obstler. »Sie hat zwei verfasst, identisch, zur Sicherheit. Und sie hat immer einen Zettel bei sich, damit derjenige, der sie findet, nichts falsch macht. Das wär das Schlimmste für sie gewesen, dass ihre Schwester benachrichtigt wird und dass das alles dann nicht so abläuft, wie sie das geplant hat. Sie hat genau gewusst …«
    »Sprich nicht so viel«, sagte Maria Seberg und legte ihre Hand auf seine. »Das ist nicht gut, du musst ruhig sein . Der Kommissar ist ja jetzt da.«
    »Den Zettel konnten wir nicht mehr lesen«, sagte ich, um mich von meinen Gedanken abzulenken, die mich beim Anblick des alten, vertrauten Paares weit weg von hier führten. »Nur noch die Nummer von Dr. Moser.« Ich nahm das Blatt in die Hand, Büttenpapier mit einem Wasserzeichen am unteren Rand.
    Hiermit verfüge ich, Babette Halmar, dass ich nicht beerdigt, sondern feuerbestattet werden möchte. Meine Urne soll anonym auf dem Waldfriedhof beigesetzt werden. Ich habe keine Angehörigen, daher entfällt eine Trauerfeier. Als Beitrag zu den entstehenden Kosten habe Ich bei meinem Anwalt eintausend Euro hinterlegt. Ich betone, dass ich gesund und im Vollbesitz meiner geistigen und seelischen Kräfte bin. Sollte ich nicht mehr in der Lage sein, die letzten Dinge zu regeln, was die Auflösung des Hausstands und des Bankkontos betrifft, so möge das Geld die Behindertenwerkstatt Machtlfing erhalten. Meine Möbel kann sich nehmen, wer möchte. Ich hoffe aber, dass ich vor meinem Tod alles in die richtige Bahn lenken kann. Von diesem Testament existieren zwei Exemplare, beide von mir mit der Hand geschrieben, das eine hinterlege ich beim Rechtsanwalt Dr. Adalbert Moser, das zweite bei Herrn Gabriel Seberg. Eindringlich bitte ich diese beiden Herren, meinen letzten Willen bezüglich der anonymen Bestattung zu respektieren und jedwede Einsprüche von Außenstehenden zu unterbinden. Das gilt ebenso für Herrn Konstantin Gabelsberger, der mir, ohne dass es nötig gewesen wäre, einmal das Leben gerettet hat und den ich sehr schätze und dem ich viele schöne Stunden zu verdanken habe, wie für alle anderen Personen, die während meines Ismaninger Lebens eine gewisse Nähe mit mir zu teilen meinten. Sie alle bitte ich um Verständnis und Verzeihung für meine Entscheidung. Es war mir nicht vergönnt, an Gott zu glauben, aber trotzdem glaube ich an die Schuld des Menschen. Wenn dies ein Widerspruch ist, so sehe man ihn mir nach. Ich ertrage ihn wie alles andere bis zum Ende. Ich will, dass nicht nur mein Körper, sondern auch mein Name und alle Erinnerung an mich für immer verschwinden.
    Darunter hatte sie den Namen des Ortes, das Datum und ihre Unterschrift gesetzt. Ich legte das Blatt auf die schwarze Ledermappe, die Gabriel Seberg zuvor mit einer feierlichen Geste aus einer Schrankschublade geholt hatte. »Der Bericht!«, hatte er gesagt und die Mappe mit beiden Händen hochgehalten .
    »Was wär denn passiert, wenn Sie den Zettel nicht mehr hätten lesen können?«, sagte Maria Sebald. »Hätt die Emmi dann die Ruth beerdigt?«
    »Das weiß ich nicht«, sagte ich. »Die Friedhofsverwaltung hätte über eine Anzeige in der Zeitung nach Angehörigen geforscht, und dann hätte sich hoffentlich der Anwalt gemeldet. Und Sie, Herr Seberg.«
    »Selbstverständlich«, sagte er. Er war ein ausgemergelter Mann mit braunen Ringen unter den Augen, jede Bewegung verlangte ihm äußerste Anstrengung ab. Aber er bemühte sich um Klarheit beim Sprechen und um ein Lächeln, das seine erloschenen Lippen kaum noch schafften. Im Vergleich zu ihm wirkte Max Bregenz beinahe vital.
    »Ich möchte gern einen Blick in die Mappe werfen«, sagte ich.
    »Das geht nicht«, sagte Maria Seberg. »Das ist geheim . Für Sie ist nur das Testament wichtig, aus juristischen Gründen.«
    Ich sagte: »Ich will nur hineinsehen, ich will den Bericht nicht beschlagnahmen.«
    Seberg hielt sich die Hand vor den Mund und hustete.
    Seine Frau holte ein Papiertaschentuch aus der kleinen Tasche ihrer Strickjacke und gab es ihm.
    »Danke«, nuschelte er .
    »Bitte«, sagte sie. Ich schwieg.
    »Es sind einundzwanzig Seiten«, sagte Seberg, die Hand mit dem Taschentuch vor dem Mund. »Sie hat sie durchnummeriert, sehr schön. Mit einem alten Pelikanfüller hat sie das geschrieben. Haben wir auch gut verkauft früher im Laden, Pelikan, das war eine Marke. Sie dürfen reinsehen, Herr Kommissar.«
    »Das darfst du nicht zulassen!«, sagte Maria Seberg. »Du hast es der Ruth hoch und
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