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Sudelbücher: Ausgesucht feine Texte mit Biss (German Edition)

Sudelbücher: Ausgesucht feine Texte mit Biss (German Edition)

Titel: Sudelbücher: Ausgesucht feine Texte mit Biss (German Edition)
Autoren: Georg Ch Lichtenberg
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leben und empfinden, das erste ist falsch, denn der Wachstum der Steine hat keine Ähnlichkeit mit dem Wachstum der Tiere und Pflanzen. Vermutlich hat ihn das Steigende des Ausdrucks, den er bei den letzten gespürt hat, auf den Gedanken gebracht, auch die erstern mit unter diese Klasse zu bringen. [A 22]
    Die Versart den Gedanken anzumessen ist eine sehr schwere Kunst, und eine Vernachlässigung derselben ist ein wichtiger Teil des Lächerlichen. Sie verhalten sich beide zusammen wie im gemeinen Leben Lebens-Art und Amt. [A 23]
    Die Esel haben die traurige Situation, worin sie jetzo in der Welt leben, vielleicht bloß dem witzigen Einfall eines losen Menschen zu danken, dieser ist schuld, dass sie zum verächtlichsten Tier auf immer geworden sind und es auch bleiben werden, denn viele Eselstreiber gehen deswegen mit ihren Eleven so fürchterlich um, weil es Esel, nicht weil es träge und langsame Tier sind. [A 26]
    Wenn wir uns eine Philosophie entwerfen wollen, die uns im Leben nützen soll, oder wenn wir allgemeine Regeln zu einem beständig vergnügten Leben geben wollen, so müssen wir freilich von dem abstrahieren, was eine gar zu große Verschiedenheit in die Betrachtungen bringt, ohngefähr wie wir in der Mechanik oft tun, wenn wir Friktion und andere dergleichen besondere Eigenschaften der Körper vergessen, um uns die Berechnung nicht zu schwer zu machen, oder wenigstens nur einen Buchstaben an ihre Stelle setzen. Kleine Unglücksfälle bringen ohnstreitig eine große Ungewissheit in diese praktische Regeln hinein, daher müssen wir uns dieser entschlagen und uns nur gegen die Bezwingung der größeren wenden. Dieses ist ohnstreitig der wahre Verstand verschiedner Sätze der stoischen Philosophie. [A 28]
    Der Aberglauben gemeiner Leute rührt von ihrem frühen und allzu eifrigen Unterricht in der Religion her, sie hören von Geheimnissen, Wundern, Wirkungen des Teufels und halten es für sehr wahrscheinlich, dass dergleichen Sachen überall in allen Dingen geschehen könnten. Hingegen wenn man ihnen erst die Natur selbst zeigte, so würden sie leichter das Übernatürliche und Geheimnisvolle der Religion mit Ehrfurcht betrachten, da sie hingegen jetzo dieses für etwas sehr Gemeines halten, so dass sie es für nichts Sonderliches halten, wenn ihnen jemand sagte, es wären heute 6 Engel über die Straße gegangen. Auch die Bilder in den Bibeln taugen nicht für Kinder. [A 29]
    Es gibt keine Synonyma, die Wörter die wir dafür halten, haben ihren Erfindern gewiss nicht Einerlei sondern vermutlich Species ausgedruckt. Büttner. [A 30]
    Aus den Träumen der Menschen, wenn sie dieselben genau anzeigten, ließe sich vielleicht vieles auf ihren Charakter schließen. Es gehörte aber dazu nicht etwa einer, sondern eine ziemliche Menge. [A 33]
Vom 1 ten Juli 1765 an.
    Jeder Gedanke hat gewiss bei uns eine besondere relative Stellung der Teile unsers Körpers, die ihn allemal begleitet, allein Furcht oder überhaupt Zwang ersticken und hemmen sie oft, ohnerachtet sie freilich nicht allemal so heftig sind, dass sie andern in die Sinne fallen, so sind sie doch da, und der Geist zeigt sich desto freier, je weniger er diese äußere Bewegungen an sich halten darf, denn ein solches Zurückhalten schadet dem freieren Fortgang der Gedanken ebenso sehr als der Zorn, den man nicht darf ausbrechen lassen. Daher sieht man, warum in einer Versammlung von den vertrautesten Freunden die guten Gedanken sich selbst nach und nach herbeiführen. [A 34]
    Am 4ten Juli 1765 lag ich an einem Tag, wo immer heller Himmel mit Wolken abwechselte, mit einem Buche auf dem Bette, so dass ich die Buchstaben ganz deutlich erkennen konnte, auf einmal drehte sich die Hand, worin ich das Buch hielt, unvermutet, ohne dass ich etwas verspürte, und weil dadurch mir einiges Licht entzogen wurde, so schloss ich, es müsste eine dicke Wolke vor die Sonne getreten sein, und alles schien mir düster, da sich doch nichts von Licht in der Stube verloren hatte. So sind oft unsere Schlüsse beschaffen, wir suchen Gründe in der Ferne, die oft in uns selbst ganz nahe liegen. [A 35]
    Man sollte in der Woche wenigstens einmal diätetische Predigten in der Kirche halten, und wenn diese Wissenschaft auch von unsern Geistlichen erlernt würde, so könnte man doch geistliche Betrachtungen einflechten, die sich gewiss hier sehr gut würden anbringen lassen, denn es ist nicht zu glauben [wie] geistliche Betrachtungen mit etwas Physik vermischt die Leute
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