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Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln

Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln

Titel: Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln
Autoren: Christoph Hardebusch
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Schiffe die einzigen Fixpunkte in einer dunklen Welt. Der an Macht gewinnende Sog in Tareisas Innerem tat sein Übriges, um in ihr das Gefühl eines vernichtenden Strudels hervorzurufen, dem sie sich kaum entziehen konnte.
    Niemand sprach während der Überfahrt. Deguay hatte am Bug Platz genommen und starrte unverwandt zur Totwey , während allein das schwere Atmen der Ruderleute zu hören war. So glitten sie über das stille Wasser der Bucht, in der noch drückend die Wärme des Tages lag. Selbst die Rufe von der Totwey klangen seltsam gedämpft in Tareisas Ohren.
    Endlich wurden Leinen geworfen und festgezurrt, und sie kletterte hinter Deguay die schaukelnde Strickleiter empor.
    »Was geht hier vor?«, fragte der Capitane ohne Umschweife. Seine Offizierin, die Tareisa als Rahel vorgestellt worden war, trat aus dem Schatten des Heckaufbaus. Das Licht einer Laterne erhellte die linke Seite ihres Gesichts, doch der Rest blieb im Schatten verborgen. Ihre Augen gaben ihre Gefühle nicht preis.
    »Wir haben jemanden im Frachtraum erwischt, Käpt’n.«
    »An der Kiste?«, brach es gegen ihren Willen aus der Maestra hervor. Rahel bedachte sie mit einem abschätzigen Blick, dann sah sie Deguay wieder an. Erst als dieser nickte, antwortete sie, ohne Tareisa noch einmal anzuschauen.
    »Ja. Auch. War ein gieriger kleiner Langfinger.«

    »Wo ist er?«, erkundigte sich Deguay kalt, und die Offizierin wies hinter sich.
    »In meiner Kajüte. Enreques ist bei ihm und passt auf.«
    Ohne ein weiteres Wort trat der Capitane an ihr vorbei und stieg die Stiege hinab. Tareisa wollte ihm folgen, doch Rahel drehte sich umständlich um, versperrte ihr den Weg und ging selbst zuerst. Die Impertinenz der Piratin kratzte an Tareisas Nerven, aber sie ließ sich nichts anmerken.
    Unter Deck war es wie erwartet noch einmal wärmer als an der frischen Luft. Die Schwarzbrunn-Fregatte war großzügiger gebaut als die Todsünde , mit einem großen Laderaum, und es befand sich nur eine kleine Prisenmannschaft an Bord. Dennoch war es eng und stickig, und selbst Tareisa, die nicht allzu groß gewachsen war, musste sich vorsehen, um sich nicht den Kopf zu stoßen.
    In Rahels Kajüte saß ein junger Mann zusammengesunken auf einem niedrigen Stuhl. Ein vierschrötiger Pirat hatte dahinter Aufstellung bezogen, die Hand an seinem Entermesser, das noch im Gürtel steckte. Aber die Haltung des Mannes ließ keinen Zweifel daran, dass er daran gewöhnt war, es auch einzusetzen. Als er Deguay erkannte, tippte er sich mit dem gekrümmten Zeigefinger an die Stirn.
    »Gute Arbeit, Enreques«, erwiderte der Capitane und nickte. »Du kannst uns allein lassen.«
    Mit einem finsteren Blick auf den Gefangen verließ der Angesprochene den Raum. Einige Augenblicke lang schwiegen alle. Dann kniete Deguay sich hin und sagte leise, fast freundlich: »Sieh mich an, Junge.«
    Unsicher hob der Sitzende das Haupt, und Tareisa konnte erkennen, dass er tatsächlich wenig mehr als ein Junge war, mit einem spärlichen blonden Flaum auf den Wangen und Tränen in den Augen.
    »Wie heißt du?«

    »Soywell, Thay«, erwiderte der Gefangene, und die Anrede verriet ihn als einen Sohn Thaynrics. Seine Finger waren ineinander verkrampft, aber er bemühte sich sichtlich um Fassung.
    »Was hast du im Frachtraum gemacht, Soywell?«
    Einige Atemzüge lang schwieg der Gefangene, dann hob er entschlossen den Blick.
    »Ich hatte Hunger. Ich wollte was zu Essen finden.«
    »Hunger, eh? Der Hunger kann einen Mann dazu bringen, schlimme Dinge zu tun. Hunger und Durst, die beiden hässlichen Zwillinge. Deshalb setzen wir diejenigen von uns, die gegen die Regeln unserer Schiffsgemeinschaft verstoßen, auf Eilanden im Nirgendwo aus, nur mit einer Pistole und einer Kugel dabei.« Im Plauderton fuhr Deguay fort: »Eine üble Wahl: sich etwas zu essen zu jagen und das Elend so mit der Hoffnung auf Rettung zu verlängern oder selbst ein Ende zu machen.«
    Jetzt zeigte die Fassung des Jungen Risse. Dann aber lachte Deguay laut auf.
    »Lass dich von den Schauermärchen doch nicht ins Bockshorn jagen. Als wenn wir unsere Schiffskameraden aussetzen würden!«
    Ein zaghaftes Lächeln erschien auf Soywells Zügen. Ruhig trat Deguay hinter ihn und klopfte ihm gönnerhaft auf die Schulter. Immer noch grinsend, wandte er sich an Rahel: »Gibt’s denn keine ordentlichen Rationen?«
    »Bei den Tiefen, Käpt’n, der Pott ist für dreimal so viele Leute ausgelegt und proviantiert. Und die Compagnie weiß, wie man
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