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Sturms Flug

Sturms Flug

Titel: Sturms Flug
Autoren: M Quandt
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den erstbesten Flug in die Heimat zu nehmen, den sie erwischen konnte. Geld spielte dabei keine Rolle, denn davon hatte sie seit Neustem reichlich. Oder vielleicht auch nicht, da sie sich geschworen hatte, ihr unverhofft erlangtes Vermögen auf keinen Fall anzurühren.
    Sie schob den Gedanken beiseite und sann wieder über den Heimflug nach. Leider gab es keine Direktverbindungen nach Köln, sodass sie gezwungen war, in Frankfurt, Berlin oder München umzusteigen. Aber egal, wenn sie erst in Deutschland war, hatte sie gewonnen. Nein, eigentlich befand sie sich bereits in Sicherheit, wenn sie im Flugzeug saß. Doch zwischen ihr und dem Flughafen lagen noch ziemlich genau 400 Kilometer afrikanischer Buckelpiste sowie ein Grenzübergang.
    »Was meinst du, Bodo?«, sagte sie zu dem Hund. »Sollen wir kurz verschnaufen?«
    Sie ließ sich zu Boden sinken, ohne damit Aufsehen zu erregen, denn hierzulande war es gang und gäbe, sich einfach am Straßenrand in den Staub zu hocken, wenn man auf den Bus wartete. Und dieses Warten wurde mit stoischer Gelassenheit ertragen, oft stundenlang, denn Fahrpläne waren eher gut gemeint als verbindlich. Auch jetzt war der nächste Bus zur Grenze bereits fünfzig Minuten überfällig.
    Eine pausbäckige Frau, die neben ihr saß und vor sich hin summte, schenkte ihr ein kurzes, aber herzliches Lächeln. Sie erwiderte es, während ein Lastwagen vorbeiratterte und ihr seinen heißen, nach Diesel und strapazierten Bremsbelägen stinkenden Atem ins Gesicht pustete. Bodo winselte leise.
    Gedankenverloren massierte sie sich die heiße Stirn, die von innen beständig mit einem Schmiedehammer bearbeitet wurde, zumindest dem Gefühl nach. Herrgott, hatte sie Kopfschmerzen! Das Fieber tat ein Übriges, sie vollkommen fertigzumachen.
    Im nächsten Moment fiel ein Schatten auf ihr Gesicht. Ein Mann hatte sich breitbeinig vor ihr aufgebaut. Sie erschrak, als er die Hände in die Hüften stemmte und grinste.
    »Du suchen Transport nach Jo’burg?«, radebrechte er im landesüblichen Holper-Englisch. Kaum zu glauben, dass Englisch in diesem Land neben Siswati die offizielle Amtssprache war.
    Sie erhob sich und kämpfte das Schwindelgefühl nieder, das sich ihrer bemächtigen wollte. Misstrauisch betrachtete sie ihr Gegenüber, einen breitschultrigen Kerl, dessen verschlissenes Hemd nicht zugeknöpft war und vor Dreck starrte. Darunter spannte sich ein ebenfalls schmutziges Unterhemd über einen athletischen Oberkörper.
    In ihrem Inneren schrillten sämtliche Alarmsirenen, ihre Muskeln spannten sich an wie bei einer sprungbereiten Katze. Bodo spürte die Unruhe seines Frauchens und knurrte.
    »Woher weißt du, dass ich nach Johannesburg will?«, fragte sie den Breitschultrigen. Während sie sprach, zog sie die rechte Braue hoch. Ihre Brauen waren hauchdünn und eindrucksvoll geschwungen. Das Hochziehen war eine Geste, derer sie sich oft bediente. Nur gute Bekannte wussten, dass sie damit entweder Belustigung signalisierte oder eine Warnung aussprach, je nach Situation. Momentan war zweifellos Letzteres der Fall.
    Das Grinsen des Mannes, der natürlich kein guter Bekannter war, wollte nicht verschwinden. »Von meinem Schwager.« Er deutete mit dem Daumen über die Schulter ins Gedränge. »Er sein Taxifahrer und wollten dich mitnehmen. Du ihn gefragt nach Bus für Jo’burg.« Er klopfte sich gegen die breite Brust. »Ich fahren Bus für Jo’burg. Wenn du einsteigen, wir komplett. Dann sofort los.«
    Ihr Misstrauen verwandelte sich in Zuversicht. Den Mann schickte der Himmel. Ein vollbesetzter Bus, der sie von hier fortschaffte, war das Beste, was ihr passieren konnte! »Hältst du auch am O. R. Tambo?« Das war der internationale Flughafen von Johannesburg.
    Er zeigte seine elfenbeinweiße Zahnpracht. »Ich dich fahren, wohin du wollen! Kosten hundert Rand. Oder siebentausendfünfhundert Emalangeni.«
    Ersteres war die Währung der Republik Südafrika, die hier allerorts akzeptiert wurde, Letzteres das hiesige Zahlungsmittel, das Geld des Königreichs Swasiland.
    Sie rechnete und kam auf einen Betrag von weniger als acht Euro. Ein Spottpreis, wenn man die Entfernung von 400 Kilometern bedachte. »Gut«, stimmte sie zu. »Ich bin dabei. Wie lange brauchen wir?«
    »Ah, nicht lange.«
    »Und was bedeutet das in Stunden ausgedrückt?«
    Er schaute sie verständnislos an, und sie begriff, dass weiteres Nachbohren zu nichts führte. Überdies war es vollkommen egal, wie lange die Reise dauerte, denn es gab
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