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Sturms Flug

Sturms Flug

Titel: Sturms Flug
Autoren: M Quandt
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beiden Häftlinge, die nicht allzu weit von dem Schild entfernt waren, sprangen erschrocken zurück, als das Wurfgeschoss direkt das Ziel traf.
    Schmitz fluchte. Doch Strasser winkte begeistert.

Kapitel 47
    Das Flugzeug wurde umschwirrt von Feuerwehrwagen, von Notarzt- und Sanitätsfahrzeugen, von Polizeiautos, von zivilen Bussen. Letztere dienten dem Abtransport der Geretteten, nachdem man sie vor Ort versorgt hatte. Das Blaulichtspektakel war gewaltig, während ständig weitere Fahrzeuge hinzukamen.
    Etwas abseits stand eine Reihe von Leichenwagen.
    Derweil wimmelte es im Inneren der Maschine von Sanitätern, Ärzten, Helfern. Und von Männern in schwarzen Kampfanzügen mit Helmen.
    Mara hatte sich auf einen der vielen freien Plätze im Passagierraum von Flug SWX 714 gesetzt, und irgendjemand hatte eine Decke über ihr ausgebreitet. Nachdenklich betrachtete sie ihre Zehen, die unten herauslugten. Sie hatte keine Ahnung, ob ihr heiß war oder kalt, ob sie glücklich war oder traurig oder was die Zukunft bringen würde. Nur eins fühlte sie deutlicher denn je: unendliche Leere.
    Funkgeräte plärrten, das Brüllen der übergroßen Ventilatoren, mit denen der Rauch fortgepustet wurde, übertönte den Lärm der aufgeregten Menschen. Löschschaum zischte, als er auf die heißen Metallstreben der Gangway traf.
    Plötzlich ließ sich in der Sitzreihe neben ihr ein Mann nieder, ein Mitglied der GSG 9. Der Beamte hatte den Helm und das Gewehr abgelegt, trug jedoch noch seine Sturmhaube.
    »So etwas habe ich noch nie erlebt«, sagte sie, ohne ihn anzusehen. Obwohl sie sich seiner Anwesenheit bewusst war, schien sie ihre Worte nicht an ihn zu richten, sondern ein Selbstgespräch zu führen. »Nie zuvor. Was da passiert ist, geht über mein Begriffsvermögen.«
    »Kann ich sehr gut nachvollziehen.«
    Sie schloss die Augen. »Dabei habe ich schon eine Menge schlimmer Dinge erlebt. Bin gerade in letzter Zeit von einem Schlamassel in den nächsten gestolpert. Doch das hier war der Gipfel. Heilige Mutter, ich habe meinen Ellenbogen in das Gesicht eines Mannes gerammt.« Sie massierte das schmerzende Gelenk. »Seit wann wenden Frauen solche Methoden an? Seit wann wälzen sie sich am Boden und balgen sich mit hundsgemeinen Schlägern. Abartig. Ich hätte Floristin werden sollen.«
    »Sie haben genau das Richtige getan«, stellte er in sanftem Tonfall fest. »Das war verdammt mutig.«
    Er hatte einige Passagiere befragt, zumindest diejenigen, die imstande gewesen waren, ihm zu antworten, und der einhellige Tenor hatte gelautet, dass die Frau im Badeanzug eine Heldin war.
    Ihre Augen waren immer noch geschlossen. »Mutig? Es ist leicht, mutig zu sein, wenn man nichts zu verlieren hat.« Sie schüttelte sich. »Oder?«
    »Nichts zu verlieren? Wie meinen Sie das?«
    Seine Stimme kam ihr seltsam bekannt vor, vertraut, beruhigend. Sie öffnete die Augen und warf ihm einen halb interessierten Seitenblick zu, doch die Sturmhaube verbarg seine Züge. »Ich habe nichts zu verlieren«, erklärte sie, »weil ich HIV -positiv bin. Das heißt … sehr wahrscheinlich.«
    »Sehr wahrscheinlich? Wie ist das zu verstehen?«
    »Vor ein paar Wochen habe ich in einem afrikanischen Krankenhaus einen Test machen lassen, und das Ergebnis war positiv. Ich habe ihn in einem anderen afrikanischen Krankenhaus wiederholen lassen, mit dem gleichen Resultat. Seitdem klammere ich mich an die verzweifelte Hoffnung, dass die Diagnose falsch sein könnte. Dort unten herrschen ziemlich miserable Zustände, was die medizinische Versorgung angeht, wissen Sie. Und darum habe ich den Test vorgestern wiederholen lassen, hier bei uns, in der Uniklinik. Nun warte ich auf das Ergebnis, das normalerweise drei bis vier Werktage auf sich warten lässt. Wohlgemerkt: Werktage. An den Wochenenden wird in den Laboren nämlich nicht gearbeitet. Also bekomme ich das Ergebnis erst am Montag oder Dienstag. Die Warterei macht mich wahnsinnig.«
    Ihr eigenes Selbstmitleid widerte sie an. Außerdem fragte sie sich, warum sie einem Fremden genau jenes Geheimnis offenbarte, das sie Bernd so lange verschwiegen hatte. Wahrscheinlich, überlegte sie, weil dieser Fremde kein Gesicht hatte. Das war fast so, als würde man sich mit dem Pfarrer im Beichtstuhl unterhalten.
    »Oh«, machte der Beamte.
    Ein Mann in signalroter Jacke, auf der das Wort Notarzt stand, kam auf sie zu und ging neben ihr in die Hocke. »Kann ich etwas für Sie tun?«, erkundigte er sich mit professioneller
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