Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sturms Flug

Sturms Flug

Titel: Sturms Flug
Autoren: M Quandt
Vom Netzwerk:
Herausforderung an, indem er machtvoll dagegenhielt.
    Als sie seine Kraft spürte, gab sie den Zug auf, um stattdessen mit ihrem gesamten Gewicht in seine Richtung zu schieben. Das Prinzip war Siegen durch Nachgeben , besser bekannt als Judo.
    »Wie hast du mich genannt?«, zischte sie.
    Sein Mund öffnete sich zu einem lautlosen Schrei, als er begriff, dass er auf eine Finte hereingefallen war. Er verlor das Gleichgewicht, taumelte rückwärts. Entsetzt ließ er die Waffe los, ruderte mit den Armen, um nicht hintenüber zu stürzen. Er bekam den Handlauf der Gangway zu fassen, doch das heiße Metall versengte ihm zischend die Haut. Er ließ los und stolperte über einen Benzinkanister oder das, was noch davon übrig war.
    Dann fiel er.
    Für einen Sekundenbruchteil starrte er sie aus weit aufgerissenen Augen an, ehe ihn die Feuersbrunst verschlang.
    Im nächsten Moment griff die Kavallerie ein, zwar zu spät, dafür aber mit beachtlichem Spektakel.

Kapitel 46
    Die beiden unterschiedlichen Männer, der junge Staatsanwalt Bodo Lohmann und der alte Erzgauner Johannes »Jo« Strasser, ließen ihre Blicke über die trostlosen Wiesen schweifen. Jenseits davon verlief das Band der Bundesautobahn 57, deren monotones Rauschen vom Ostwind herübergeweht wurde. Lohmann war nervös, was sich in ständigem Geplapper äußerte, während Strasser Wurfübungen veranstaltete, und zwar mit den Kieselsteinen, die das Flachdach bedeckten, um es vor UV -Einstrahlung, Sturm und anderem Schaden zu schützen. Das war altbacken, denn moderne Dächer wurden nicht mehr mit Kies gedeckt.
    »Knapp«, kommentierte er, als der Stein um Haaresbreite das Schild verfehlte, auf dem zu lesen stand: Auf dem gesamten Gelände gilt die StVO.
    »Wie lange schon?«, fragte Lohmann, ohne den Wurfkünsten seines ungewöhnlichen Verbündeten Beachtung zu schenken.
    »Ungefähr einunddreißig Minuten, würde ich sagen. Eine Minute mehr als bei Ihrer letzten Frage, Herr Staatsanwalt.«
    Strasser machte sich einen Spaß daraus, Lohmann mit Herr Staatsanwalt anzusprechen. Daran war im Grunde nichts auszusetzen, denn immerhin war er tatsächlich Staatsanwalt. Doch Frau Sturms Bruder verwendete die Bezeichnung bei jedem zweiten Satz, wodurch das Ganze eine höchst ironische Note bekam.
    »Das dauert schon viel zu lange«, sinnierte er mindestens zum fünften Mal. »Da ist bestimmt etwas schiefgegangen …«
    »Treffer!«, jubilierte Strasser.
    Der Kieselstein schepperte lautstark gegen das Schild.
    Omar Aidid, der seit einer halben Stunde reglos auf der Planke stand, zuckte zusammen. Ein dunkler Fleck zwischen den Beinen zeugte davon, dass sich seine Blase entleert hatte.
    »Sollen wir ihn erlösen?«, fragte Lohmann, ebenfalls zum wiederholten Mal.
    Die Frage war angebracht, denn eigentlich gab es keinen Grund mehr, den Somalier auf der Planke stehen zu lassen. Das Telefonat, mit dem sein Bruder davon überzeugt werden sollte, dass er in Lebensgefahr schwebte, war schließlich längst geführt.
    Doch Strasser schüttelte gehässig grinsend den Kopf. »Ich finde, wir sollten ihn noch ein wenig schmoren lassen. Macht sich doch gut da oben, unser kleiner Piratenprinz.« Die Worte da oben betonte er besonders. »Stimmt doch, Omar, altes Kackfass?«
    Natürlich gab der Angesprochene keine Antwort.
    Ein weiterer Stein wurde geworfen und traf lärmend sein Ziel.
    »Und wieder mitten ins Schwarze, ich bin der Größte! Sagen Sie mal, Herr Staatsanwalt, vögeln Sie meine Schwester?« Die Frage wurde so beiläufig gestellt wie eine Erkundigung nach der Uhrzeit oder nach dem Wetter.
    Lohmann wurde feuerrot im Gesicht. »Nein!«, empörte er sich. »Wie kommen Sie denn darauf?«
    »Würden Sie denn wollen?«
    »Äh … nein, wir sind nur … äh, Freunde.«
    »Aber ihr kennt euch doch kaum.«
    »Trotzdem«, beharrte Lohmann.
    »Komisch, so ähnlich hat sie auch geantwortet, als ich ihr die gleiche Frage gestellt habe.« Strasser klang nicht mehr ironisch, sondern ernsthaft interessiert. »Seit wann können Mann und Frau einfach nur befreundet sein?«
    »Laut Freud ist das kein Problem«, antwortete der Jungstaatsanwalt vage.
    »Aha. Und laut Lohmann?«
    Das lang ersehnte Klingeln des Handys entband ihn von der peinlichen Antwort. »Ja?«, platzte er heraus. »Was ist passiert, wie geht es Ihnen? Sind Sie in Sicherheit? Sind die Geiseln in Sicherheit? Was ist mit Asad …«
    »Mensch, Staatsanwältchen! Lass sie doch mal zu Wort kommen!« Strasser ließ den Stein fallen, den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher