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Sturmflut mit Schokoladenengel

Sturmflut mit Schokoladenengel

Titel: Sturmflut mit Schokoladenengel
Autoren: Dora Tauer
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Tageszeitung, versteckte mich dahinter.
    Kersten und ihr neuer Freund redeten und redeten – ihre Worte rauschten an mir vorbei, und ich lauschte Pauls Stimme ohne zu begreifen, was er sagte: Ihr Klang vibrierte in meinem Bauch.
    Gegen acht stand er vom Frühstückstisch auf. Er war Lehrer und musste zum Unterricht. Höflich verabschiedete er sich von mir. „War schön, Sie kennenzulernen, Frau Körner“, sagte er höflich.
    Ein Schwiegermutterschwarm, weiß Gott! Ich jedoch war weit davon entfernt, mich als Schwiegermutter zu fühlen. Und das lag nicht zuletzt an diesem gewissen Glitzern in seinen Augen, während wir uns zum Abschied die Hand gaben.
    Er verließ das Haus, und ich legte die Zeitung weg. „Du wechselst ja die Männer wie deine Unterwäsche.“ Ausgesucht kritisch musterte ich meine Tochter. Die kritische Mutter zu mimen, half mir über meinen Gefühlswirrwarr hinweg.
    „Die wechsle ich täglich, Ma“, entgegnete Kersten schnippisch. „Und Paul ist erst der dritte in diesem Jahr.“
    „Wir haben ja auch erst Mai.“
    „Ach komm, Ma!“ Kersten knallte die Kaffeetasse auf den Unterteller. „Spiel’ hier nicht schon wieder den Moralapostel! Ich will mich nicht fest binden, kapiert? Schon gar nicht jetzt, wo ich mitten in den Abivorbereitungen stecke! Ich kann es mir nicht leisten, ein zweites Mal durchzurasseln.“
    „Ich mach' mir halt Sorgen um dich.“ Ich schlug einen friedfertigeren Tonfall an.
    „Mach’ dir lieber Sorgen um dich und Pa.“ Kersten stand auf und griff nach ihrer Schultasche, einem alten Aktenkoffer, den Nils erst kürzlich ausrangiert hatte.
    „Wieso?“
    „’Wieso’?“ Kersten ahmte meine verblüffte Stimme nach. „Fast jede zweite Woche ist Pa unterwegs! In Mailand, Rom, Madrid oder sonst wo. Du glaubst doch nicht im Ernst, dass er mit seinen spanischen oder italienischen Ingenieurskolleginnen weiter nichts tut, als von morgens bis abends in irgendwelchen Banken irgendwelche EDV-Systeme zu installieren?“
    „Sondern?“ Ich erschrak vor meiner eigenen Stimme. Sie klang plötzlich belegt.
    Kersten wich meinem Blick aus und machte Anstalten, die Küche zu verlassen. „Ich muss jetzt gehen.“
    „Sondern?!“ Ich stand auf und versperrte ihr den Weg in den Flur.
    „Lass mich vorbei, Ma, bitte! Ich will nicht schon wieder zu spät kommen.“
    „Und ich will nicht mit Andeutungen abgespeist werden!“ Ich dachte nicht daran, ihr auszuweichen. „Entweder du hast mir etwas zu sagen, dann rede! Oder du hast mir nichts zu sagen – dann halte den Mund!“ Mein Herz klopfte schneller plötzlich und ich sprach lauter, als ich eigentlich wollte.
    Sekundenlang sah Kersten mich an, schweigend. Dann senkte sie den Kopf und zog die Schultern hoch. „Himmel, Kersten – was ist denn los?“ Ich zog sie an mich, umarmte sie.
    Kersten hob den Blick, und die Tränen in ihren Augen machten mich sprachlos. „Schon zweimal haben Frauen hier angerufen, als du weg warst“, sagte sie leise. „Einmal aus Rom, einmal aus Madrid.“ Sie griff in ihre Schultasche. „Und das hier habe ich in Pas altem Aktenkoffer gefunden.“ Sie warf ein Päckchen Kondome auf den Frühstückstisch. „Oder hast du inzwischen die Pille abgesetzt?“

    *

    Kersten ging in die Schule und ich blieb allein zurück in der morgendlichen Küche. Nichts war mehr so wie zuvor. Hätte ich nicht schreien müssen? Oder weinen? Oder irgendetwas zerschmeißen? Seltsam – nichts davon kam mir in den Sinn; ich saß nur da, betrachtete die Kondompackung und schüttelte ein wenig den Kopf; ich wunderte mich selbst, wie gelassen ich blieb. Da lag diese kleine rote Schachtel vor mir auf dem Frühstückstisch, und in mir regte sich weiter nichts als ein beinahe kindliches Staunen.
    So also fühlte sich die Wahrheit an.
    Die ganzen letzten Jahre meiner Ehe mit Nils hatte sie im Raum gehangen wie eine graue Wolke, hatte unsere Gespräche nichtssagend werden lassen, hatte unseren Sex zu einer langweiligen Gewohnheit und unser gemeinsames Leben zu einer bloßen Zweckgemeinschaft verkommen lassen.
    Ja, das war die Wahrheit.
    Ich hatte sie nicht wahrhaben wollen. Doch jetzt lag sie gewissermaßen vor mir auf dem Tisch. Eine angebrochene Fünferpackung London gefühlsaktiv ...
    Die Wahrheit.
    Ich öffnete die Schachtel – zwei Kondome steckten noch darin. Nur während unserer Verlobungszeit und am Anfang unserer Ehe hatten Nils und ich Gummis benutzt.
    Ich stand auf und ging hinauf ins Schlafzimmer. Vor dem
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