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Sturmflut: Ein Fall für Suna Lürssen (German Edition)

Sturmflut: Ein Fall für Suna Lürssen (German Edition)

Titel: Sturmflut: Ein Fall für Suna Lürssen (German Edition)
Autoren: Kerstin Wassermann
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Gäbe es das Wort Blutbad noch nicht, hätte man es für diese Situation erfinden müssen, dachte sie erschüttert.
    Es war genau so, wie Fenja es geschildert hatte. Der Tote lag in einer riesigen Blutlache, die sich um ihn herum auf dem hellen Parkett ausgebreitet hatte und an den Rändern bereits eine bräunliche Kruste bildete. Rundherum war der Boden von dunklen Blutspritzern übersät. Zudem waren unzählige Fußabdrücke zu sehen. Offenbar war Fenja nach der Tat ziellos im Zimmer herumgeirrt, wobei sie mehrfach in die Blutlache getreten war und deutliche sowie verwischte Spuren hinterlassen hatte.
    Trotz eines Anflugs von Ekel und Abscheu betrachtete Suna das Bild eingehend, bevor sie sich den nächsten Fotos zuwandte, die Detailaufnahmen zeigten.
    Zuerst erschien die blutbeschmierte Schere mit schwarzem Plastikgriff auf dem Monitor, dann die einzelnen Fußspuren. Als ein Bild vom Hals des Opfers mit der klaffenden Wunde aufgeblendet wurde, musste Suna sich kurz abwenden und gegen die aufsteigende Übelkeit ankämpfen.
    Schnell blätterte sie weiter, bis sie zu den Bildern kam, die Fenjas Verletzungen zeigten. Ihr Hals wies zahlreiche Blutergüsse in Blau- und Lilatönen auf. An den Stellen, an denen sich die Fingernägel ihres Angreifers tief in die Haut gebohrt hatten, waren zudem blutige Kratzer zu sehen. Auch beide Hände zeigten Kratzwunden, und quer über ihr Gesicht verliefen die Spuren von Blutspritzern, wobei es sich jedoch nicht um ihr eigenes, sondern um das Blut von Mark zu handeln schien, das aus seiner Halswunde gespritzt war.
    Viel schlimmer als die Wunden am Hals fand Suna jedoch den leeren, teilnahmslosen Blick von Fenja, den die Bilder schonungslos offenbarten. Er war dem des toten Mark Sennemann nicht unähnlich.
    In diesem Augenblick wurde ihr klar, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte, als sie den Auftrag angenommen hatte. Sie würde ihr Bestes geben, um die Hintergründe des Geschehens aufzuklären. Fenja hatte ein Recht darauf zu erfahren, was an diesem Novemberabend wirklich passiert war.
    Für den folgenden Obduktionsbericht nahm Suna sich viel Zeit. Er überraschte sie nicht. Die Todesursache war demnach Verbluten durch das Durchtrennen der Halsschlagader mit der Schere gewesen, wobei das Herausziehen der Schere wohl eine stärkere Blutung verursacht hatte als das Hineinstoßen. Unter Marks Fingernägeln waren kleine Hautfetzen von Fenja gefunden worden. Der Gerichtsmediziner hatte zudem festgestellt, dass Mark seit ungefähr eine Viertelstunde tot gewesen sein musste, als Carolin ihn und Fenja fand.
    Alles schon bekannt, dachte Suna enttäuscht und blätterte zu den Ermittlungsprotokollen weiter, die sich als erstaunlich dünn erwiesen. Neben dem Bericht der Spurensicherung war ein ärztliches Attest enthalten. Übereinstimmend mit Fenjas Schilderung hatte Dr. Habenschneider, ihr behandelnder Arzt, eine posttraumatische Belastungsstörung bei ihr diagnostiziert, die ihre Erinnerung an das Ereignis stark einschränkte.
    Es folgten die Protokolle mehrerer Befragungen. Am ausführlichsten war Carolin Becker, Fenjas Freundin und Angestellte vernommen worden. Sie hatte aber nicht mehr zu den Ermittlungen beitragen können als zu bestätigen, dass sie Fenja verwirrt neben dem toten Freund gefunden hatte. Auch von den Nachbarn und den Besitzern der umliegenden Geschäfte und Restaurants hatte niemand etwas mitbekommen.
    Fenjas Einschätzung von Mark wurde bestätigt. Er war nicht vorbestraft und nie vorher als aggressiv aufgefallen.
    Da alle Spuren am Tatort auf Notwehr hindeuteten, waren die Ermittlungen recht schnell eingestellt worden.
    Suna schüttelte enttäuscht den Kopf, nachdem sie alle Berichte durchgegangen war. Sie hatte sich wesentlich mehr Informationen aus der Akte erhofft. Das Einzige, was sie erstaunt hatte, war der Hinweis darauf, dass Marks Leichnam nach der Freigabe zur Bestattung an die Gemeinde Sylt weitergegeben worden war. Bei einem Mann Mitte zwanzig war es ziemlich ungewöhnlich, dass es keine Angehörigen gab, die sich um die Beerdigung kümmern konnten. Sie nahm sich vor, sich am nächsten Tag bei Fenja danach erkundigen.
    Es war schon dunkel, als Suna endlich den Computer für diesen Abend ausschaltete. Sie streckte sich und lockerte ihre Muskeln, die vom langen Sitzen ganz steif geworden waren, dann strich sie sich ratlos durch die kurz geschnittenen braunen Haare. Sie ahnte, dass ihr schwierige und langwierige Ermittlungen bevorstanden, aber sie
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