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Sturm und Drang

Sturm und Drang

Titel: Sturm und Drang
Autoren: Martin Scott
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Dort überprüfe ich meine Kleeh-Vorräte. Ich habe nur noch drei Flaschen von dem scharfen Schnaps da. Vielleicht sollte ich mich etwas mehr zurückhalten. Ich habe mich immer mit ein paar Gläschen gestärkt, bevor ich meinen Dienst auf den Zinnen angetreten habe, aber in diesem Winter herrscht allgemeine Knappheit. Also sollte ich meinen Kleeh vielleicht rationieren. Aber wie man auf einem eisigen Wachposten hocken und in den Schnee starren soll, ohne ein paar wärmende Schlucke Kleeh intus zu haben, geht über meinen Verstand. Selbst bei schönem Wetter ist es hart, in einer Stadt zu leben, die belagert wird. Aber in einer belagerten Stadt zu leben, ohne genug Vorräte an Alkohol unter dem Bett zu haben, ist ein schier unerträglicher Gedanke.
    Ich hatte bereits vor einem Monat erwartet, dass die Orks die Stadt im Sturm einnehmen würden. Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher. Ghurd könnte Recht haben. Vielleicht denkt Prinz Amrag ja tatsächlich, dass er die richtige Gelegenheit verpasst hat. Wir wissen nicht einmal, wie viele Orks da draußen herumlungern. Einige sind im Stadion Superbius im Osten vor den Stadtmauern einquartiert, aber mehr wissen wir auch nicht. Ihre Streitkräfte haben sich außer Sichtweite zurückgezogen.
    Unsere Zauberer haben die Gegend abgesucht, aber die orkischen Hexer haben ihre eigenen Verschleierungszauber gewoben, deshalb weiß man nichts Genaues über ihre Zahl. Lisutaris glaubt, dass Streitkräfte der Orks nach wie vor alle Ausfallstraßen bewachen. Der Großteil der feindlichen Truppen hat sich ihrer Meinung nach jedoch weiter nach Süden in die Wälder zurückgezogen, wo sie der Witterung nicht so ungeschützt ausgesetzt sind. Zu unserem Pech ist dieser Winter nicht so klirrend wie die letzten. Der turanische Winter kann schneidend kalt sein, aber nach den ersten heftigen Schneestürmen hat der diesjährige sich als ungewöhnlich mild entpuppt. Bisher sind keine Aquädukte eingefroren, und während die Gassen von ZwölfSeen früher immer unter dichten Schneewehen begraben waren, sind sie jetzt fast schneefrei und gut passierbar. Es wäre besser für uns, wenn das Wetter schlechter wäre. Dann würden die Orks wahrscheinlich nicht bleiben.
    Zwei Gläschen Kleeh stärken meinen Optimismus. Wir werden sie bis zum Frühling hinhalten. Die Hilfsarmeen aus Simnia werden aufmarschieren, die Elfen werden heransegeln, und wir werden überleben, wie schon vor fünfzehn Jahren, als die Orks das letzte Mal angegriffen haben.
    Bei der Erinnerung daran legt sich meine Stirn in tiefe Falten. Letztes Mal konnten wir sie nach einem erbitterten Kampf zurückschlagen, aber das wäre uns nicht gelungen, wären nicht im letzten Moment die Elfen gekommen. Ich war auf dem Ostwall, als er zusammenbrach, und kurz davor, von einer Schwadron Orks niedergemäht zu werden, als wir gerettet wurden. Nicht mal ein Hektoliter Kleeh oder eine Ewigkeit könnten diese finsteren Erinnerungen aus meinem Kopf vertreiben. Außerdem beschleicht mich das unbehagliche Gefühl, dass ich nicht viel aus meinem Leben gemacht habe, falls es jetzt enden sollte. Ein gescheiterter Zauberer, der sich jetzt in diesem armen Viertel der Stadt als Detektiv mehr schlecht als recht durchschlägt und für klamme Klienten in derartig hoffnungslosen Fällen ermittelt, dass kein anderer sie annehmen mag. Ich fluche, werfe ein Scheit aufs Feuer und wünschte, ich hätte fleißiger studiert, als ich noch Zauberlehrling war. Hätte ich nicht schon in jungen Jahren die Wonnen des Gerstensafts entdeckt, wäre ich jetzt vielleicht ein richtiger Zauberer und nicht nur ein dicker Mann, der ein paar Tricks im Ärmel hat. Ich würde noch im Palast arbeiten, im Luxus schwelgen und hätte genug Wurzeln und Kleeh, um jede Lebensmittelknappheit zu überstehen, ohne an Gewicht zu verlieren.
    Allerdings ist es selbst im Palast im Moment nicht sehr behaglich. Der König ist gebrechlich und praktisch ans Bett gefesselt. Prinz Frisen-Lackal ist dem Wein und dem Boah verfallen und darf nicht mehr allein unter die Leute. Prinz Dös-Lackal hat seinen Kopf verloren, als die Orks angriffen. Konsul Kahlius ist verwundet, traumatisiert und nach dem Ork-Überfall außer Gefecht gesetzt. Die Verwaltung der Stadt hat er in die Hände von Vizekonsul Zitzerius gelegt. Der ist auf seine Art ein guter Mann, aber kein Krieger. Die militärische Planung ruht in den Händen von General Pomadius. Wenigstens er ist ein altgedienter Soldat. Pomadius bringt uns vielleicht
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