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Studio 6

Studio 6

Titel: Studio 6
Autoren: Liza Marklund
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verfahren sollte. Das Tipptelefon, das offiziell »Der heiße Draht« hieß, intern aber nur »Idiotentelefon«
    genannt wurde, wurde meist von Witzbolden oder Verrückten beherrscht. Das hier war offensichtlich ein Kandidat für die letztere Gruppe.
    »Hallo …?«, fragte Annika vorsichtig.
    Der Mann schnauzte sich. Er atmete ein paar Mal tief ein und erzählte. Anne Snapphane beobachtete Annika von der anderen Seite des Tisches aus.
    »Dass du das überhaupt aushältst, immer an dieses Telefon zu gehen«, sagte sie, als Annika aufgelegt hatte.
    Annika antwortete nicht, sondern fuhr fort, auf dem Telex herumzukritzeln.
    »Ich brauche ein Eis, sonst sterbe ich. Willst du was aus der Kantine?«, fragte Anne Snapphane und stand auf.
    »Ich muss erst noch was überprüfen«, sagte Annika, hob den Hörer und wählte die Durchwahl der Einsatzzentrale.
    Es stimmte. Vier Minuten zuvor hatte man die Nachricht von einer Toten an der Kronobergsgatan bekommen.
    Annika stand auf und ging mit dem Telex in der Hand zum Newsdesk. Spiken telefonierte immer noch, und seine Füße ruhten auf dem Schreibtisch. Annika stellte sich auffordernd direkt vor ihn. Der Nachrichtenchef sah verwundert auf.
    »Mordverdacht, junges Mädchen«, sagte Annika und wedelte mit dem Zettel.
    Spiken beendete das Telefonat, indem er augenblicklich auflegte, und ließ dann die Füße auf den Boden fallen.
    »Kam das über tt?«, fragte er und klickte seinen Bild schirm an.
    »Nein, übers Idiotentelefon.«
    »Bestätigt?«
    »Die Einsatzzentrale hat es jedenfalls.«
    Spiken ließ den Blick über die Redaktion schweifen.
    »Okay«, sagte er, »wer ist denn im Haus?«
    Annika trat einen Schritt vor.
    »Es ist mein Tipp«, sagte sie.
    »Berit!«, rief Spiken und stand auf. »Der Sommermord des Jahres!«
    Berit Hamrin, eine der älteren Reporterinnen der Zeitung, nahm ihre Handtasche und kam zu ihnen.
    »Wo ist Carl Wennergren? Arbeitet er heute nicht?«
    »Nein, er hat frei, er segelt die Gotland Rund mit«, sagte Annika. »Es war mein Tipp, ich habe ihn entgegengenommen.«
    »Pelle, Foto!«, rief Spiken in Richtung Bildredaktion.
    Der Redakteur hielt den Daumen hoch.
    »Bertil Strand«, rief er.
    »Okay«, sagte der Nachrichtenchef und wandte sich Annika zu, »was haben wir?«
    Annika schaute auf ihre krakeligen Notizen und merkte plötzlich, wie nervös sie war.
    »Ein totes Mädchen hinter einem Grabstein auf dem jüdischen Friedhof innerhalb des Kronobergsparks auf Kungsholmen.«
    »Das muss nicht unbedingt ein Mord sein.«
    »Sie ist nackt und erdrosselt.«
    Spiken sah Annika abschätzend an.
    »Und Sie wollen das selbst machen?«
    Annika schluckte und nickte, der Nachrichtenchef setzte sich wieder hin und zog einen Schreibblock heraus.
    »Okay«, sagte er, »Sie können mit Berit und Bertil hinfahren. Sehen Sie zu, dass wir gute Bilder bekommen, den Rest können wir später erledigen, aber die Fotos müssen sofort sitzen.«
    Der Fotograf warf sich den Rucksack mit seiner Ausrüstung über, während er am Newsdesk vorbeiging.
    »Wo ist es denn?«, fragte er Spiken.
    »Kronobergshäktet«, sagte Spiken und nahm den Hörer ab.
    »Park«, berichtigte Annika und suchte ihre Tasche.
    »Kronobergspark. Der jüdische Friedhof.«
    »Passen Sie nur auf, dass es nicht ein Familienstreit ist«, meinte Spiken und wählte eine Nummer in London.
    Berit und Bertil Strand waren schon auf dem Weg zum Fahrstuhl und zur Garage, aber Annika zögerte.
    »Was meinen Sie damit?«, fragte sie.
    »Was ich sage. Wir wühlen nicht in privaten Familienangelegenheiten herum.«
    Der Nachrichtenchef wandte ihr demonstrativ den Rücken zu. Annika wurde wütend.
    »Deswegen ist das Mädchen doch nicht weniger tot«, sagte sie.
    Spiken hatte am anderen Ende jemanden in der Leitung, und Annika begriff, dass die Diskussion beendet war. Sie schaute sich um, Berit und Bertil Strand waren schon im Treppenhaus verschwunden. Sie ging schnell zu ihrem Platz, zog die Tasche heraus, die unter den Schubladenschrank geraten war, und rannte ihren Kollegen hinterher.
    Der Fahrstuhl war schon unten, sie nahm die Treppe, Himmel nochmal, warum musste sie immer Streit anfan gen? Jetzt verpasste sie fast ihre erste große Sache, weil sie unbedingt den Nachrichtenchef zurechtweisen musste.
    »Idiotin«, sagte sie laut zu sich selbst.
    Sie holte die Reporterin und den Fotografen am Eingang zur Garage ein.
    »Wir arbeiten gleichberechtigt zusammen, bis wir uns aufteilen müssen«, sagte Berit und machte sich
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