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Stresstest Deutschland

Stresstest Deutschland

Titel: Stresstest Deutschland
Autoren: Jens Berger
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on you, fool me twice, shame on me! Wer zweimal auf denselben Trick hereinfällt, ist selber schuld. Es ist sogar sehr wahrscheinlich, dass der Wähler auch ein weiteres Mal auf den Trick hereinfällt, den die SPD in den letzten Jahren auf den Oppositionsbänken ausbaldowert hat. Kaum nahm sie auf den harten Bänken der Opposition Platz, schrie sie Zeter und Mordio, und
    selbst in ihren Reihen wird immer öfter gegen Niedriglohn, Rente mit 67, Steuersenkungen und die Deregulierung der Finanzmärkte polemisiert. Das ist ein Alleinstellungsmerkmal der SPD – keine andere Partei kann wie ein Rohrspatz über die Regierungsarbeit des letzten Jahrzehnts schimpfen, ohne sich selbst damit zu meinen.
    Von einer inhaltlichen Aufarbeitung der elf Regierungsjahre sind die Sozialdemokraten jedoch trotz aller Verbalakrobatik sehr weit entfernt. »Man habe es nicht vermocht, die Menschen mitzunehmen«, räumt der SPD -Politiker Joachim Poß in gestelzter Politrhetorik ein. Die Agendapolitik als PR -Problem, so einfach kann man es sich machen. Von einer programmatischen Abkehr von der Agenda 2010 ist weniger die Rede. Schaut man sich das Parteiprogramm an, stellen lediglich die Forderung nach der Wiedereinführung der Vermögenssteuer und die Forderung nach einem Mindestlohn eine – wenn auch wenig glaubwürdige – inhaltliche Novelle dar. Ansonsten konzentrierte man sich darauf, öffentlich Geschlossenheit zu demonstrieren und sich verbal neu aufzustellen.
    Aber wie glaubhaft kann diese Neuordnung überhaupt sein?
    Der neue starke Mann der Partei ist der ehemalige Goslarer Berufsschullehrer Sigmar Gabriel, der ein guter Redner ist und es immer wieder schafft, die Parteibasis für sich einzunehmen. Das letzte verbliebene Schwergewicht der Partei ist ein brillanter Verkäufer. Er könnte nicht nur einem Eskimo einen Kühlschrank verkaufen, die Basis traut ihm offensichtlich auch zu, die Wähler davon überzeugen zu können, dass die alte SPD eine neue SPD ist. Sigmar Gabriel verkörpert die hohe Kunst des Opportunismus in der Politik wie kaum ein anderer. Als sein guter Freund Gerhard Schröder zusammen mit dem Briten Tony Blair 1999 in dem Schröder-Blair-Papier 4 die Sozialdemokratie durch eine neoliberale Ausrichtung ad absurdum führte, gehörte Gabriel zu den bedingungslosen Unterstützern dieser Politik. Gabriels Begeisterung für die »neue Mitte« zeugt von seiner enormen Fähigkeit, politische Positionen zu wechseln – in den frühen Jahrenseiner politischen Karriere war Gabriel noch ein überzeugter Parteilinker.
    Höhere Weihen konnten ihm in der SPD allerdings nur im Schröder-Lager zuteil werden. Und Gabriels Opportunismus zahlte sich aus – ohne die Protektion des Kanzlers wäre Gabriel weder Fraktionsvorsitzender der niedersächsischen SPD noch 1999 Amtsnachfolger des zurückgetretenen niedersächsischen Ministerpräsidenten Gerhard Glogowski geworden. Plötzlich war Sigmar Gabriel wer, und seitdem hat er es sich nicht nur auf den Sesseln der politischen Talk-Shows, sondern auch an den Trögen der Macht bequem gemacht.
    Gabriel ist ein politischer Hans Dampf in allen Gassen. Er ist Mitglied des konservativen Seeheimer Kreises der SPD und des agendapolitischen Netzwerks Berlin 5 . Da wundert man sich, dass Gabriel nicht zusätzlich auch noch Mitglied der »Parlamentarischen Linken« ist, dann würde er alle drei politischen Strömungen innerhalb der SPD in seiner Person vereinen. Das Hauptproblem des Opportunisten dürfte indes sein, dass kaum ein politisch interessierter Beobachter ihm seine verbale Wenderhetorik abnimmt.
    Warum sollte ausgerechnet der Agendaarchitekt Gabriel nun für eine sozial gerechte Politik stehen? Warum sollte ein Politiker, der jahrelang das Mantra der freien Märkte nachgebetet hat, nun diese Märkte zum Wohle der Allgemeinheit regulieren wollen?
    Der Mann an Gabriels Seite ist Frank Walter Steinmeier, seines Zeichens Fraktions- und damit Oppositionsführer. Auch Steinmeier ist ein Ziehkind Schröders. Steinmeier gilt sogar als Koautor und Architekt der Agenda 2010, von der er sich auch später nie distanziert hat. Kann so ein Mann für einen glaubhaften Politikwechsel stehen? Da sogar die Genossen weder Gabriel noch Steinmeier über den Weg trauen, hat der derzeit von den Medien protegierte ehemalige Finanzminister Peer Steinbrück realistische Chancen, für die Partei 2013 als Kanzlerkandidat in den Ring geschickt zu werden. Steinbrück ist jedoch ebenfalls ein Agendapolitiker und
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