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Streitfaelle außergerichtlich loesen

Streitfaelle außergerichtlich loesen

Titel: Streitfaelle außergerichtlich loesen
Autoren: Peter Depré
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ein unterschiedliches Geschick bei Verhandlungen an den Tag legen, ist allgemein bekannt. In aller Regel bestehen Verhandlungen daraus, dass Parteien ihre Ziele und Forderungen gegenüber der Gegenseite formulieren. Es handelt sich um die Erwartungen, die die jeweilige Partei an die Verhandlung und das Ergebnis stellt. Dass diese Forderungen und Ziele im Gegensatz zu Zielen und Forderungen der anderen Seite stehen, liegt in der Natur der Sache, sodass es im Ergebnis bei solchen Verhandlungen „nur“ darum geht, einen Kompromiss zu finden. Bei solchen Verhandlungen nehmen sich die Parteien als Konkurrenten und nicht als Verhandlungspartner wahr. Jeder ist ausschließlich darauf bedacht, sich selbst möglichst viele Vorteile zu verschaffen und der anderen Seite möglichst nicht oder wenig entgegenzukommen. Die Verhandlung besteht darin, den anderen von der eigenen Position oder vorgeschlagenen Lösung zu überzeugen. Die andere Seite soll also umgestimmt oder überzeugt werden. Eine gemeinsame und produktive Lösung steht nicht im Vordergrund der Verhandlung. Ergebnisse, die im Rahmen einer solchen Verhandlung erarbeitet werden, sind Nullsummenspiele, bei denen der Gewinn des einen den Verlust des anderen bedeutet. Ein Mehrwert wird aus der Auseinandersetzung nicht generiert. In aller Regel sind die Parteien mit dem Ergebnis der Verhandlung auch nicht zufrieden.
    Diese Szenarien können vermieden werden, indem man den Fokus der Verhandlungsparteien von ihren Positionen ablenkt und auf die eigentlichen Interessen richtet (sog. interessenorientiertes Verhandeln). Dafür werden die geäußerten Forderungen und Ziele der Parteien hinterfragt und die übergeordneten Interessen der Parteien zur Grundlage der Verhandlung gemacht. Der Verhandlungsspielraum wird dadurch größer und es eröffnen sich neue Lösungs- und Einigungsoptionen. Die Verhandlung dreht sich nicht mehr ausschließlich um die Verteilung, sondern darum, den Konflikt als Chance zu begreifen, zusätzliche Werte zu schaffen. Das liegt daran, dass Positionen – als übliche Grundlage der Verhandlung – konkrete Zielsetzungen sind. Das Ziel kann also nur erreicht werden, wenn die Vorstellung vollständig erfüllt wird. Auch ein noch so geringer Kompromiss wird wegen der Abweichung des „Ist“ vom „Soll“ als Verlust empfunden. Die Schöpfung zusätzlicher Werte aus dem Konflikt ist nicht möglich. Interessen liegen demgegenüber gedanklich hinter den Positionen. Es sind, vereinfacht gesagt, die Anliegen, die die Parteien im Bezug auf die konkrete Verhandlung haben. Interessen hinter gegenläufigen Positionen können sich als konträr, identisch oder als sich ergänzend erweisen.
    Beispiel:
    A verhandelt nach langjähriger Tätigkeit für seinen Arbeitgeber Z mit diesem über den Abschluss eines Aufhebungsvertrages, da es persönliche Differenzen gegeben hat. Im Rahmen der Verhandlungen streiten A und Z über die Höhe der Abfindungssumme. Die Positionen sind klar: A will den Betrag X. Z will (die von A geforderte Summe) nicht bezahlen. Die Interessen des A hinter seiner Position können zum Beispiel Anerkennung für geleistete Arbeit, Kompensation für zukünftigen Verdienstausfall oder finanzielle Absicherung für den Zeitraum der Jobsuche sein.
    Die Suche nach den zugrunde liegenden Interessen der Parteien lässt sich mithilfe des sogenannten Eisbergmodells veranschaulichen:

    Die aus der Wasseroberfläche herausragenden Eisbergspitzen stellen die Positionen der Parteien in der Verhandlung dar. Unter der Wasseroberfläche – und damit grundsätzlich zunächst unsichtbar – zeigen sich die Interessen der Parteien, die trotz gegenläufiger Positionen gemeinsame Berührungspunkte zeigen können.
    Ein gerne gewähltes Beispiel zur Veranschaulichung versteckter ergänzender Interessen ist das sogenannte Orangenbeispiel :
    Beispiel:
    Zwei Schwestern streiten sich um eine Orange. Die klassische Reaktion der Eltern wäre, die Organe zu halbieren und jeder Schwester eine Hälfte zu geben. Auf die Frage, warum jede Schwester die Orange haben will, stellt sich heraus, dass die eine Schwester das Fruchtfleisch essen will, die andere will die Schale der Orange zum Backen benutzen. Durch die Aufklärung und die Einbeziehung der Interessen der Schwestern können die Wünsche beider Schwestern voll erfüllt werden.
    Mithilfe des interessenorientierten Verhandelns soll vermieden werden, dass die Parteien nur um die geäußerten Positionen streiten. Es sollen die
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