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Street Art Love (German Edition)

Street Art Love (German Edition)

Titel: Street Art Love (German Edition)
Autoren: Katrin Bongard
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beobachte, der uns glücklicherweise den Rücken zugekehrt hat. Wozu brauchen wir überhaupt ein Foto? Vorne am Postkartenstand gibt es das Bild bestimmt in tausend Variationen zu kaufen. Ich drehe mich zurück zu Charly, im selben Augenblick macht er ein Foto von mir und lacht verlegen. Dann dreht er mir den Rücken zu und hantiert mit meinem Handy herum. Was macht er jetzt?
    »Ich maile mir den Mao nur mal schnell rüber!«, sagt er und reicht mir dann das iPhone zurück. Ich stecke es weg.
    »Wie findest du das Bild?«, frage ich und entdecke, dass die lila Punkte auf der Tapete lilafarbene Köpfe sind.
    »Na ja, irgendwie schon cool. Und du? Gefallen dir die Farben?«
    »Ja, auf jeden Fall. Ist auch politisch, glaub ich, obwohl ich nicht so genau weiß, wer der Typ ist«, sage ich unsicher.
    »Aber das können wir ja alles später noch rauskriegen. Wie wollen wir das überhaupt machen? Ich meine, mit Pop-Art und Street Art und so. Wir können es vielleicht aufteilen.«
    Charly sieht mich überrascht an. »Aufteilen? Okay, dann mache ich Street Art.«
    »Nein, das kenne ich noch nicht, das möchte ich besser machen.«
    »Oder wir machen beides zusammen«, schlägt Charly vor. Ich nicke. Zusammen.
    Wir schlendern weiter durch das Museum, obwohl es außer dem Mao nicht viel Pop-Art zu entdecken gibt. In einem Gebäudeflügel befinden sich lauter große, rechteckige, grob behauene Steinquader. Sie liegen verteilt im Raum, teils auf Holzpaletten. Unter einen Stein ist ein Transportgerät geschoben.
    »Von Beuys.
Das Ende des
20
. Jahrhunderts

    »Was?«
    »So heißt die Installation«, sagt Charly. Er springt in eine der flachen Wandnischen, dreht mir den Rücken zu, tut so, als ob er die Wand ansprayt, und erstarrt in der Bewegung. In seinen schwarzen Klamotten vor der weißen Wand sieht er tatsächlich wie ein Wandbild aus.
    »Bleib so!«, sage ich, nehme mein iPhone heraus und mache ein Foto von ihm. »Interessantes Kunstwerk!«, sage ich und tue so, als ob ich ein Schild an der Wand lesen würde. »›Der Anfang des einundzwanzigsten Jahrhunderts. Von Charly Menz‹.«
    Charly stößt den Arm in die Luft. »Yeah, genau!«
    Ein Wächter schaut skeptisch in unsere Richtung.
    Wir lächeln uns an. »Der lebt ja doch noch …«, sagt Charly und winkt mir, ihm zu folgen. »Komm, wir gehen was trinken, hier gibt es bestimmt eine Cafeteria oder so.«
     
    Ich weiß von der Ausstellungseröffnung ziemlich genau, dass es hier keine Cafeteria, sondern nur ein sehr schickes Designer-Restaurant einer Starköchin gibt, aber ich folge Charly. Er kramt in seinen Taschen und holt einen zerknitterten Fünfeuroschein hervor.
    »So, und diesmal lade ich dich ein«, verkündet er entschieden.
    In dem Restaurant ist es sehr voll. Wir finden schließlich einen Zweiertisch. Die Kellner laufen in langen Schürzen herum, und bei den Preisen auf der Karte halte ich die Luft an.
    »Was möchtest du?«, fragt Charly betont locker, aber ich sehe, dass er die Stirn hinter der Karte nachdenklich zusammenzieht.
    »Einen Pfefferminztee.«
    »Mehr nicht? Kuchen?«
    Ich verkneife mir die Bemerkung, dass ein Tee und Kuchen mehr als fünf Euro kosten würde, und schüttele den Kopf.
    Der Kellner kommt, und Charly bestellt den Tee und für sich eine Cola. Rund um uns herum flitzen die Kellner, es wird laut geredet, aber wir beide schweigen auf einmal. Ich schaue zum Nachbartisch, wo ein junges Pärchen sitzt und Händchen hält. Nach einer Weile bringt der Kellner den Tee und die Cola. Ich bin froh, dass ich mich mit dem Teebeutel beschäftigen kann.
    »Wieso kannst du eigentlich so gut zeichnen?«, fragt Charly schließlich in unsere Stille.
    Ich zucke mit den Schultern. »Ich habe ganz früh damit angefangen …, und ich mache es einfach gern.«
    »Und wie?«
    »Du meinst die Technik?«
    Ich nehme meinen Rucksack und ziehe den Skizzenblock hervor. Ich habe ihn immer dabei, genauso wie eine schmale lange Blechdose mit Bleistiften, Kohle und Knetgummi. Auch die hole ich heraus und wähle einen Bleistift aus.
    »Bleib so!«
    Ich schlage die erste Seite auf, kneife die Augen zusammen, warte, bis ich sie sehe. Die Linien und Bögen, die Kurven, den Moment, in dem aus einer Augenbraue ein Schwung wird, aus einem Auge eine mandelförmige Form, aus einem Mund eine sanfte Linie.
    Ich brauche drei Ansätze, nehme mir dreimal ein neues Blatt, doch dann habe ich es. Am Ende bin ich zufrieden, es ist keine ausgearbeitete Zeichnung mit Licht und Schatten,
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