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Straub, Peter

Straub, Peter

Titel: Straub, Peter
Autoren: Die fremde Frau
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Wurst . «
    »Ich ging zum Bäcker. «
    »Und spielte mit seiner Wurst. «
    »Ich sah Prinz Charles. «
    »Und spielte mit seiner Wurst. « Die Mutter weiß nicht so recht, wie sie darauf reagieren soll. Ihr Sohn wirft den Kopf zurück und lacht zu den Bäumen hinauf, das Haar fällt über seinen Kragen. Schließlich ist sie – oh, wie verständig von ihr – vernünftig. »Wer ist dieser Alex, Liebling? «
    »Du weißt doch, Mami. Al-ex. Alex Winter. Er kennt noch viel mehr, aber ich kann mich nicht mehr daran erinnern. Sie sind aber schrecklich komisch. «
    Gegenüber von mir steht die Frau unvermittelt auf und streicht mit den Händen, Handflächen nach innen, über ihren Bauch, um das satinartige Material zu glätten. Si e m acht einen unruhigen Eindruck. Irrelevanterweise fällt mir eine Beme r kung von H. G. Wells ein – die Frau hat sie in einem Brief zitiert –, wonach Henry James › mit primitiven oder groben Gefühlen scheiterten Erspare mir dieses Scheitern, denke ich.
    »Gehen wir in die Altstadt «, sagt sie zu mir, nachdem wir den Boulevard überquert haben. »Sie ist hier in der Nähe, und sie ist sehr schön. Wenn du schon mich nicht als Geschenk mitnehmen kannst, sollst du wenigstens eines bekommen. «
    »Du wärst mir lieber «, sage ich.
    »Mich hast du «, sagt sie. »Mehr als jeder andere bisher. «
    Wir gehen auf dem Weg in die Altstadt durch eine Seite n straße, an einer Buchhandlung vorbei. Vor einer Tankstelle besteigt ein heller, gelblicher Hund mit schmutzigem Haa r kranz um die Schnauze eine Hündin. Die Hündin winselt, blinzelt und bewegt sich in verwirrter Erregung von einer Seite zur anderen, während der gelbe Rüde auf zitternden Hinterbe i nen hinter ihr hoppelt.
    »Reizende Geschöpfe «, sagt die Frau. »Sehen sie nicht e r barmenswert dabei aus? Wir sollten ihnen ein Hotelzimmer mieten. «
    Heute Nacht werden wir in Albi sein, die darauf folgende Nacht in Arles, nachdem wir Magruder getroffen und uns se i ne endlosen Ausführungen über den Staat Illinois und den Z u stand einer Seele während eines monumentalen Verkehrsstaus angehört haben. Wir werden zwei Tage in Arles verbringen und dann Weiterreisen nach Aix, wo ich sie verlassen werde – das heißt, nur so, wie ich sie bisher stets verlassen habe –, während eines Sturms heftig weinend, in einem öffentlichen Park, Minuten vor dem Unfall, der erst mit jenem ungleich größeren Unfall enden wird, nämlich ihrem Überwechseln i n d ie Welt der Fotografie in Time. Morgans Schwester Joanie hat sich dieses Magazin gekauf t, u m über Amerika auf dem laufenden zu bleiben. ‹ Die Frau ist auf der Seite › People ‹ a b gebildet, und sie lächelt, aber nicht in die Kamera, sondern zur Seite, wo ihr Ehemann, ein Mann mit schütterem, erkahle n dem weißen Haar, der ebenso groß ist wie sie, sich vor der Kamera aufbaut. Das war aber bereits Monate später, als wir drei in einem unbehaglichen Frieden in London lebten.

2
     
    »Mach darüber keine Witze «, riet meine Schwiegermutter, »in unserer Familie sind Scheidungen so zahlreich wie Sperlinge. « Sie trank einen weiteren Schluck des verwässerten Martinis in ihrer Hand. »Sei so natürlich wie du kannst. Wichtig für Jo a nie ist das Wissen, dass wir sie alle lieben und sehr glücklich über sie sind. Das ist wichtig. «
    Meine Frau, das eigentliche Ziel dieser Ansprache, sah ihre Mutter an als würde sie eine besondere Abart von Schimme l pilz studieren. »Ich finde, es war gemein von ihr, ihn zu ve r lassen, wenn du die Wahrheit hören willst. Sie ist die ego i stischste Person, die ich kenne. « Sie erhob sich vom Sofa und ging zum Fenster. Das fahle, harsche Licht der Nachmittag s sonne warf ein Netz von langen Schatten über die Straße. Ihr Vater fuhr zum Flughafen, um Joanie und ihre neue Scheidung zu begrüßen, wenn sie gemeinsam in Boston das Flugzeug verließen. Er wollte alleine gehen, hatte er gesagt, »um auf dem Rückweg alles mit ihr zu überdenken. «
    Wir saßen in einem der großen, kühlen Zimmer im ersten Stock, meine Frau und ihre Mutter nebeneinande r a uf dem Sofa. Ich saß auf einem Sessel am anderen Ende des Zimmers, kein vollwertiger Teilhaber an dem Drama. »Ich finde es wu n derbar, wie Owen sich in ein Buch vertiefen kann «, sagte M a xine. »Das ist eine Gabe. « Eigentlich bin ich kein besonderer Leser – verglichen mit der Frau sogar überhaupt keiner. Ve r glichen mit Maxine freilich ist jeder, der eine Zeile liest, ein großer
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