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Straub, Peter

Straub, Peter

Titel: Straub, Peter
Autoren: Die fremde Frau
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zum Hinte r kopf, zu ihrem karamelfarbenen Haar.
    »Ist dies zu teuer für Sie, Mr. Franciscus? « Meine Frau stellt die Frage, dann presst sie die Lippen aufeinander. Sie hat die Frage falsch gestellt; jetzt muss er antworten, dass es nicht zu teuer ist.
    » Gewiss nicht, Morgan, meine Liebe «, sagt er. »Es ist mir eine große Freude, Sie beide zum Essen auszuführen, eine sehr große Freude. Sie und Ihr erfolgreicher Geschäftsmann mü s sen sich entspannen und sich alles gönnen, was Sie möchten. « Hinter der runden Brille, unter dem ordentlich gekämmten Haarschopf, zwinkert Mr. Franciscus wie ein dressiertes Tier. Der Kellner beugt sich gefällig nach vorn. Die Hände hat er stets hinter dem Rücken gef a ltet.
    Drei Monate lang haben die Frau und ich uns an zwei Nachmittagen pro Woche in einem Zimmer im Park House Hotel ausgezogen. Als ich daran denke, werde ich unter dem Tisch steif. Ein vollkommener, edler Ritter, ein sexueller Schurke: Erfolg!
     
    »Bist du verheiratet? « »Ja «, antwortete ich.
    »Glücklich? «
    »Nicht mehr oder weniger als andere auch. « »Wirst du dich dennoch mit mir treffen? « »Ja «, antwortete ich. »Ich glaube nicht, dass ich eine andere Wahl habe. «
     
    »Ich nehme Steak Diane «, sage ich zu dem Kellner. Es kostet fünfundvierzig Schilling und wird von Anthony Eden fla m biert, der sich feierlich über die Pfanne beugt.

4
     
    Während unseres ersten Aufenthalts in Paris – ich vorgeblich auf Geschäftsreise, sie aus den Ferien in Irland zurück zu i h rem Mann –, waren wir auf absurde Weise argwöhnisch. Sie war davon überzeugt, dass ihr Mann sie beobachten ließ, und daher bestand sie darauf, dass wir zwar überall gemeinsam hingingen, aber so taten, als gehörten wir nicht zusammen. Als Folge dessen gewann jede Geste, die sie machte, wenn sie ein paar Schritte vor mir über das Trottoir ging, eine seltsame Zweideutigkeit, indem sie mir einerseits Zeichen gab, andere r seits aber meine Anwesenheit missachtete . Und weil ich in der Öffentlichkeit darauf beschränkt war, sie nur anzusehen – was ich so auffällig und linkisch tat, dass es jedem Beobachter s o fort aufgefallen wäre –, schien jede ihrer Gesten perfektioniert, ganz, losgelöst zu sein.
    Sie kam aus einem Antiquitätenladen am Quai Malaquais, direkt neben der Erole des Beaux Arts. Sie winkte dem tei l nahmslosen Chauffeur im schwarzen Mercedes, der sauber und tödlich inmitten der hellen Flaggen von Touristenhemden und karierten Jacken aussah, und der große Wagen bahnte sich langsam einen Weg durch die Menge; der Motor war nicht abgestellt worden, während sie in dem Laden war. Als sie sich vom Wagen abwandte, sah sie, wie ich sie anstarrte, und l ä chelte mir zu, dann bog sie in die Rue Bonaparte ein. Ich fol g te ihr, erregt von der winzigen Geste zu dem Chauffeur.
    Sie verweilte nicht in der Rue Bonaparte, sondern ging zur Rue Jacob weiter, ging an den Buchhandlungen und Kurzw a renläden der Rue de Buci vorbei und dann, nachdem sie einen kleinen Platz überquert hatte, in die Rue St. Andre des Beaux Arts. Hier schritt sie zwei Blocks weiter, dann schlüpfte sie in ein kleines Hotel mit rot verhangenen Fenstern. Ich wartete draußen und vertrieb mir die Zeit damit, das Schaufenster e i ner Buchhandlung zu betrachten. Das Schaufenster enthielt Exemplare von Mon Isle, Mon Isle von D. H. Lawrence, und von Les Femmes Amoureuses, ebenfalls von D. H. Lawrence.
    Die Frau verließ das rot verhangene Hotel mit einer Brille, welche ihre Augen bedeckte wie Skelettaugen eines Insekts. So verkleidet erschien sie mir sogar noch schöner. Ich folgte ihr über den gedrängten Place de St. André des Beaux Arts, wo sie, nur einen Sekundenbruchteil lang, mit dem Gedanken zu spielen schien, sich ein Eis von einem Händler zu kaufen. Dann aber schüttelte sie das Haar zurück – es war von einer dunkelblonden, reifen Farbe, wie die Weizenfelder meines Heimatstaates –, wandte sich unvermittelt vom Wagen des Eisverkäufers ab und ging weiter, an Schallplattengeschäften und Buden vorbei zum Boulevard St. Michel.
    In der Nähe der Rue Racine betrat sie ein anderes Hotel, dieses hatte glänzende Glastüren und eine Halle mit einem geschmacklosen Springbrunnen, in dem Kaskaden bunt b e leuchteten Wassers emporsprudelten. Wieder verweilte ich auf der anderen Straßenseite und betrachtete die Schaufenster e i ner Buchhandlung. Hier sah ich sechs Exemplare von Papillon und ein großes Bild des Verfassers, M. Henri
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