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Strasse der Sterne

Strasse der Sterne

Titel: Strasse der Sterne
Autoren: Brigitte Riebe
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sich indessen mit dem Bett. »Bin gleich so weit, Kleines«, sagte sie, während sie den Strohsack bearbeitete, als gelte es, mit den zerdrückten Halmen auch jedes Restchen Wollust herauszuschütteln, »dann kann ich dir beim Waschen helfen und anschließend dein Haar durchbürsten - so, wie du es am liebsten hast.«
    »Das kann ebenso gut Balbina tun. Die hat von allen Mägden die weichsten Hände.«
    »Du hasst mich, nicht wahr?« Magdas Stimme war hart geworden. »Weshalb, Pilar? Weil ich sehen kann?«
    »Du denkst, Geduld sei ein Ei, aus dem eines Tages ein großer Vogel schlüpft. Aber da irrst du dich.«
    »Geduld ist nun mal die Mutter des Erfolgs«, zischte Magda ihr hinterher. »Wir werden schon noch sehen, wer sich irrt!«
    Pilar ging hinaus. Nur ein paar Schritte, dann ließ ein Luf t zug sie innehalten. Atemzüge berührten sie zart wie Fingerspitzen.
    Tariq! Schlief er denn nie?
    »Ich sehe nirgendwo deinen Stock, mi niña«, sagte er seufzend. »Eines Tages wirst du dir noch den Hals brechen, wenn du nicht endlich lernst, vorsichtiger zu sein!«
    »Musst du mich immer so erschrecken? Manchmal denke ich, du hast die Samtpfötchen von Minka gestohlen!«
    »In diesem Haus habe ich gelernt, meine Schritte zu zählen. Brauchst du Hilfe?«
    »Unsinn«, erwiderte sie. Was hatte er gesehen? Und gehört? »Aber du kannst hinter mir bleiben, wenn du schon einmal da bist. Damit ich nicht aus Versehen wieder in die falsche Tür renne.«
    Früher hatte sie oft auf seinem Schoß gesessen, die Arme um seinen Hals geschlungen, an dem sie geleckt hatte, um herauszufinden, ob die bräunliche Hautfärbung nicht vielleicht doch abging. Sie kannte seinen Geruch, seinen Gang, seine Vorlieben. Tariq war ihr so vertraut wie das Haus, vertrauter in gewisser Weise, als die Mutter es je gewesen war. Und er war - abgesehen von dem zerknitterten Brief - das Einzige, was ihr von Rena geblieben war.
    *
    Als die schwer beladenen Pferdewagen vor dem Tor hielten, liefen alle hinunter, um den Herrn zu begrüßen, Mägde, Knechte, Kaufmannsgehilfen sowie Hirtz, der in Heinrichs Abwesenheit stellvertretend das Kontor für ihn führte. Ihm folgten die drei Lehrlinge. Die eifrigste von allen aber war Magda, die fast gestürzt wäre, weil sie in der Aufregung vergaß, ihre überlangen Röcke zu raffen. Sie hatte sich ein weißes Tuch eng um den Kopf geschlungen, als könne sie es kaum noch erwarten, endlich das Gebende einer verheirateten Frau zu tragen.
    Pilar lächelte ihm vom Treppenabsatz entgegen.
    Beinahe hätte er sie in dem Ungewissen Licht mit Rena verwechselt. Sie trug ein Kleid mit einem ärmellosen Surcot aus blauer Wolle und war schmucklos bis auf die kleinen Goldkreolen, die er ihr zur Taufe geschenkt hatte. Heinrich spürte ein Brennen in der Brust. Die Erinnerung an seine Frau war plötzlich so stark, dass er sich für einen Augenblick an der Wand festhalten musste. War das wirklich alles vom Leben, was sie ihm übriggelassen hatte? Nur noch von der Vergangenheit zu zehren?
    Er zwang sich zu einer fröhlichen Miene.
    Immerhin hatte er ein florierendes Geschäft. Und Pilar, die ihn brauchte, auch wenn er sie im kommenden Frühjahr nun endgültig in die Obhut eines Ehemannes geben würde. Seine Tochter würde nicht als Bettlerin in die neue Familie kommen, dafür war gesorgt. Die Mitgift, die er mit Albin Löbel, dem Vater des Bräutigams, ausgehandelt hatte, war mehr als beachtlich, und in schwarzen Stunden argwöhnte Heinrich, sie sei womöglich der wahre Grund für das wachsende Drängen der Löbels. Er hatte allerdings seinen Teil dazu beigetragen, dass sie langsam ungeduldig wurden. Zweimal schon war die Hochzeit verschoben wurden, weil Heinrich sich einfach nicht entschließen konnte. Obwohl die lange Verlobungszeit die Lästermäuler in der Stadt bereits zu Gerüchten animierte, gab es noch immer ein Zögern in ihm, für das er keine vernünftige Erklärung fand.
    »Prinzessin!« Ohne die Hand Magdas wahrzunehmen, war er mit ein paar Sätzen bei seiner Tochter, hob sie hoch und drückte sie so fest an sich, dass sie lachend protestierte.
    »Du wirst mich noch zerquetschen.« Sein schwerer Ring bohrte sich in ihren Schenkel und sie sog den fremdartigen Geruch ein, den Heinrich verströmte. »Warte, sag nichts! Ich rieche den Fluss, altes Holz, Pferdeschweiß und jede Menge Salz ... Ich wette, du hast dich eine ganze Weile nicht übertrieben gründlich gewaschen.« Ihre Finger tasteten über sein Gesicht. Eine alte Narbe
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