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Strasse der Sterne

Strasse der Sterne

Titel: Strasse der Sterne
Autoren: Brigitte Riebe
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Teller dreimal zu füllen«, versetzte der alte Löbel. »Und was den Gehorsam betrifft - meine liebe verstorbene Barbara hatte niemals Schwierigkeiten mit den Dienstboten!«
    »Du hast auch nicht gerade gefastet«, gab sie schnippisch zurück. Ihr dunkelblondes Haar glänzte wie das Fell eines gesunden Tiers. Ihr Gesicht war nicht ebenmäßig, aber durchaus anziehend, mit vollen Lippen und einer zierlichen Nase. Auf Albins Teller türmten sich Gänseknochen, Kastanien und Krautreste. »Dabei sollten Männer deines Alters besser auf der Hut sein! Sonst sterben sie am Schlag, wie vor drei Tagen der steinreiche Georg Zandt, der keine fünfzig geworden ist. Dem haben all seine Goldtaler nichts genutzt.«
    Jetzt starrten alle Männer am Tisch sie an.
    Der Scarlatto, aus dem ihr neues Kleid genäht war, machte sie blass. Außerdem wurde ihre Haut fleckig, wenn sie sich aufregte. Und jetzt regte Magda sich auf. Blutrot funkelten bei jeder Bewegung die böhmischen Granattropfen an ihrem üppigen Busen.
    Heinrich wünschte sich, er hätte ihr nicht ausgerechnet diesen Schmuck geschenkt. Frauen binden Männer mit Granat an sich, so eine Volksweisheit, an die er sich plötzlich wieder erinnerte. Rot - das war die Farbe für eine Geliebte, nicht aber für eine Verwandte. Rena hätte sie tragen sollen, aber sie hatte schon lange keinen Schmuck mehr angelegt, Jahre bevor sie fortgegangen war. Nur in der allerersten Zeit hatte sie sich widerspruchslos von ihm ausstaffieren lassen mit Edelsteinen, Seide, edlen Tüchern, Spitzen und all den Kostbarkeiten, die er von überall her für sie anschleppte.
    Sein Blick glitt zur Decke, die ein gemalter Sternenhimmel schmückte. Damals, als er seine junge Frau im Arm gehalten hatte und die Geburt des Kindes kurz bevorstand, war ihm gewesen, als tanze er direkt hinein. Jetzt kam es ihm manchmal vor, als funkelten sie kalt und höhnisch auf ihn herunter.
    Pater Rabanus schien zu spüren, was ihn ihm vorging.
    »Eigentlich ist der Martinstag ja nicht zum Prassen gedacht«, sagte er mit seiner tiefen Stimme, die sonst von der Kanzel bis in die hinterste Ecke der Basilika trug. »Sondern als Erinnerung an einen frommen Mann, der seinen Mantel mit einem Bettler teilte. Ihm zu Ehren brennen überall die Feuer und werden die Laternen entzündet.« Sein Ton gewann an Schärfe. »Und erinnern uns daran, mit den Armen zu teilen, was der Herr in seiner Güte uns beschert hat.«
    »Das Hochamt ist schon eine ganze Weile vorüber«, sagte Martin vorlaut. »Außerdem sind wir Löbels nie knauserig gewesen. Oder warst du mit unseren Martinspfennigen für dein Kloster dieses Jahr etwa nicht zufrieden?«
    »War dieser Heilige nicht ein Krieger, der kein anständiges Zuhause hatte?«, fiel sein Vater ein. »Wir bleiben im Winter lieber am Feuer sitzen. Das schont die Knochen - und den Mantel.«
    »Eines vergisst du allerdings dabei: Das ganze Leben ist eine Wanderschaft«, erwiderte der Pater. »Oder sollte ich nicht besser sagen: Pilgerreise? Nur wer sich auf Gott zubewegt, darf auf Erlösung hoffen.«
    »Pilgern - ist das nicht etwas für Leute ohne ordentlichen Beruf, Gesindel, das etwas auf dem Kerbholz hat?« Albin rümpfte die knollige Nase. Der zurückweichende Haaransatz ließ ihn wie einen Mönch aussehen. Die Augen jedoch waren schnell und hart. »Kaufleute wie wir können es sich nicht leisten, herumzureisen, ohne Geschäfte zu machen, nicht wahr, Weltenpurger?«
    Pilar hatte wieder diesen höflichen Gesichtsausdruck, wie immer, wenn sie sich langweilte. Martin, beinahe eine jüngere Kopie seines Vaters, hatte zuvor unter dem Tisch ein paar Mal viel sagend ihre Hand gedrückt, was Heinrich nicht entgangen war. Am liebsten hatte er sie gefragt, was sie davon hielt. Aber die Angst vor einer unverblümten Antwort ließ ihn schweigen.
    Er lehnte sich in seinem Sessel zurück.
    Die Stimmen wurden leiser, die Geräusche schwächer, beinahe, als ob ihn eine gläserne Wand von allem trennte. Wieder überfiel ihn der schon bekannte Zweifel. Sollte er ihnen sein Mädchen wirklich überlassen - dem schwachen Sohn und dem gierigen Vater? Aber verdiente Pilar nicht die Chance auf ein normales Leben? Albin würde es ihr an nichts fehlen lassen, dafür hatte er gesorgt. Und Martin war unübersehbar verrückt nach ihr. Außerdem war nicht einmal ein Heinrich Weltenpurger unsterblich. Irgendwann würde er abtreten müssen. Dann war es wichtig, dass Pilar ein solides neues Zuhause hatte.
    »Sie sieht aus wie ein
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