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Strafzeit

Strafzeit

Titel: Strafzeit
Autoren: Stefan Ummenhofer , Alexander Rieckhoff
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der Mitte der Halle zeigte noch achtzehn Sekunden Restspielzeit an, formierten sich die Schwenninger endlich zum Power-Play. Die Verteidiger schoben sich den Puck zweimal zu, zogen dann ab, der Puck wurde in dem Gerangel vor dem Kasten abgefälscht, offenbar vom neuen SERC-Kanadier Kirk Willy. Die Hartgummischeibe ging an den Pfosten und – ins Tor!
    Die Helios-Arena wurde binnen Sekunden zum Tollhaus. Hubertus warf seinen Glühweinbecher in die Luft, scherte sich nicht darum, dass dieser noch halb gefüllt war, und umarmte Klaus. Seine Brille fiel zu Boden. Von hinten drängten weitere freudetrunkene Fans in einem Jubelknäuel nach vorne.
    Zwei zu eins, elf Sekunden vor Schluss. Kaum zu fassen. Auch die Schwenninger Spieler auf der Bank stürzten aufs Eis, sogar der Ersatztorwart kam mit. Sie begruben den Torschützen unter sich, während der Stadionsprecher den Radetzkymarsch als Torjubel eingelegt hatte.
    Hubertus war außer sich. »Ich hab’s gewusst. Das habe ich gewusst! Ja, jaaa, jippie!«
    Was für ein Tag! Vergessen war der Ärger vom Morgen. Herrlich. Nur noch ein weiterer Sieg bis zum Aufstieg in die Deutsche Eishockey Liga.
    Sogar seine Brille fand Hubertus Hummel nach kurzer Zeit wieder. Ein Glas war zerkratzt, aber was war das schon gegen diesen Sieg?
    Er setzte die Brille wieder auf. Sein Blick richtete sich auf die Spielerbank mit dem immer noch jubelnden Trainer, streifte die Sitzplatztribüne. Dort schienen die Sanitäter sich um jemanden zu bemühen.
    Ein Herzinfarkt, durchfuhr es Hubertus. Kein Wunder bei diesem Spiel.
    Der Jubel im Stadion schwoll nur ganz allmählich ab. Wie gebannt schaute Hubertus zur gegenüberliegenden Seite.
    Klaus folgte seinem Blick. In ihm erwachte die journalistische Neugier.
    »Ich gehe rüber«, meinte Klaus.
    Hubertus zögerte, schloss sich dann aber an. Gemeinsam kämpften sie sich durch die feiernden Anhänger.
    Mittlerweile lief das Spiel wieder, und die Fans in Blau-Weiß zählten die letzten Sekunden lautstark mit. »Sechs, fünf, vier, drei, zwei, eins! Jaaa!«
    Die Schlusssirene ertönte.
    Kurz darauf war Klaus am Eingang zur Haupttribüne angelangt. »Schwarzwälder Kurier«, sagte er und zeigte seinen Presseausweis. »Wir müssen da durch.«
    Der Ordner machte keine Anstalten, ihn aufzuhalten. Er war viel zu begeistert vom Endergebnis des Spiels.
    Klaus steuerte zielstrebig auf den Pulk von Rettungssanitätern zu. Hubertus folgte ihm mit dem gebotenen Abstand, er wollte nicht als Gaffer erscheinen.
    Reporter dürfen eben keine Skrupel haben, dachte Hubertus, während sich Riesle über den blutüberströmten leblosen Körper beugte.
    Die Unterhaltung zwischen dem Sanitäter, einem Polizisten und seinem Freund Klaus hörte Hubertus nur bruchstückhaft. Aber die Worte »Kopfschuss« und »sofort tot« ließen ihn mehrfach zusammenzucken.
    Absurd, dachte er sich. Wer sollte denn einen Menschen in einem Eisstadion erschießen wollen?
    Er näherte sich nun doch der Menschentraube, um von Klaus Genaueres zu erfahren. Doch noch bevor er seinen Freund erreichte, fiel sein Blick auf den am Boden liegenden Mann.
    »O Gott«, entfuhr es Hubertus. »Kollege Mielke!«

3. EIN SIEG UND ACHT BIER
     
    Zehn Minuten später stand Hubertus immer noch wie vom Donner gerührt da – um ihn herum eine größere Menschenmenge, der ebenfalls nicht mehr so recht zum Feiern zumute war.
    Die Neuigkeit hatte sich bis in die Spielerkabine herumgesprochen, weshalb diejenigen Fans, die in Unkenntnis des Geschehenen immer noch »Ehrenrunde!« und »Wir woll’n die Mannschaft sehn, wir woll’n die Mannschaft sehn!« brüllten, vergebens warteten.
    Klaus stieß Hubertus an. »Ich muss aktualisieren«, sagte er. »Für die VS-Ausgabe könnte es noch reichen.«
    Hubertus geriet in Rage. »Verdammt, du bist im Urlaub! Hast du jetzt keine anderen Sorgen?«
    Klaus schüttelte den Kopf. »Du glaubst doch wohl nicht, dass unsere Sportnasen das auf die Reihe kriegen. Die sind mit dem Spielbericht beschäftigt.«
    Er zückte das Handy und rief den Spätdienst in der Zentrale an.
    »Wenigstens für ’ne Aufmachermeldung sollen sie noch Platz freischaufeln.«
    Hubertus entdeckte indessen wenige Meter entfernt auf einer der Tribünenbänke seinen Kollegen Ziegler, der Englisch und Geschichte unterrichtete. Er hatte eine Decke der Sanitäter um die Schultern und war leichenblass.
    »Unglaublich«, sagte Ziegler mit matter Stimme, als Hubertus zu ihm trat. »Er saß direkt neben mir. Zum ersten Mal
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