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Strafbataillon 999

Strafbataillon 999

Titel: Strafbataillon 999
Autoren: Heinz G. Konsalik
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lähmende, fast hörbare Stille aus, hörbar durch das Gluckern des Wassers und durch das hierhergewehte Lied marschierender Soldaten, das von irgendwoher aus der regenverhangenen Landschaft kam.
    Dieses hierhergewehte Lied war Krülls Ausweg.
    Mit der verblüffenden Fähigkeit altgedienter Soldaten, ab- oder umzuschalten, brach er die Schimpfkanonade ab, sah auf seine Armbanduhr, verglich sie mit der Uhr auf der Wachbaracke, nickte, befahl dem immer noch grinsenden Schwanecke das übliche Hinlegen und stakste dann zum Schlagbaum.
    Die vier Neuankömmlinge ließ er liegen: in einer kurzen, schiefen, durchnäßten Reihe, von dem Längsten bis zu dem Kleinsten, vom Schützen Gottfried von Bartlitz bis zum Schützen Karl Schwanecke.
    Das war Dr. Ernst Deutschmanns Ankunft im Strafbataillon 999: Er lag auf dem Gesicht, oder auf der Schnauze in der üblichen Umgangssprache, verfolgte mit dem Blick die umherirrende, nasse Ameise, über seinen Körper liefen lange Frostschauer, er kämpfte gegen die Übelkeit an, und er horchte auf den Marschgesang, der langsam und stetig näherkam und immer lauter wurde.
    Sie marschierten durch den Regen und sangen.
    Unteroffizier Peter Hefe, genannt ›der Gärende‹, stampfte vor ihnen her, verbissen, naß, dreckig, wütend, durch den gleichen Dreck stampfen zu müssen wie die Männer hinter ihm.
    Die Straße zog sich lang hin. Sie führte durch die Niederungen der Warthe, durch abgeerntete Kornfelder, vorbei an traurigen Birken und melancholischen Buchen. Der graubraune Fluß rann träge zwischen den sandigen Ufern.
    Sie waren müde, und es war keine Zeit zum Singen. Aber sie taten es, weil es ›der Gärende‹ befohlen hatte: marschierende und singende graue Schemen in einer grauen Landschaft unter einem grauen Himmel, mit nassen Gesichtern und aufgerissenen schwarzen Mündern, aus denen sich müde die Lieder vom Heideröslein, dem Edelweiß, den rollenden Panzern und morschen Knochen lösten und sich wie der Regen, der vom Himmel nieselte, auf die traurige, nasse Landschaft senkten.
    153 Mann.
    »Kompanie – halt!« brüllte Peter Hefe. Er scherte nach links aus und blickte auf die müden, knochigen, verdreckten Männer, die ihn teilnahmslos anstierten und froh waren, nicht mehr singen zu müssen. Ein trauriger Verein, meine Fresse!
    »Hört mal zu, ihr Oberpfeifen!«, sagte er mit kratzender, heiserer Stimme, »hört mal zu, ihr singt wie verliebte Waschweiber beim Mondschein. Wenn ich noch mal höre, daß einige aus dem Takt kommen, wenn sie nicht zufällig pennen, machen wir den ganzen Weg im Laufschritt wieder zurück, verstanden?« Er sagte es, aber er meinte es nicht ernst. Keine zehn Pferde würden ihn den langweiligen Weg zurückbringen. Im übrigen war es auch schon ziemlich spät, und deshalb überhörte er auch das müde »Jawohl« aus etwa zwanzig von 153 Kehlen.
    »Na also«, sagte er. »In einer Viertelstunde marschieren wir ins Lager ein – daß mir das zackig geht! Der Kommandeur ist da, macht mir also keinen Kummer! Verstanden?«
    »Jawohl!«
    »Also denn – ein Lied! Es ist so schön, Soldat zu sein! Singt es mit Wonne, meine Lieben! Mit Wonne und Gefühl!«
    Sie marschierten wieder, sie sangen, die Warthe rann träge durch den Sand, links und rechts standen triefende Birken und Buchen.
    So marschierten sie ins Lager ein, wo sie von Oberfeldwebel Krüll bereits erwartet wurden.
    An diesem späten Nachmittag erfand Krüll seine neue Masche, die er später ›Die Kunst des Überrollens‹ nannte.
    Er war wütend, das heißt, sein permanenter Wutzustand hatte wegen Karl Schwanecke und wegen der Verspätung der anmarschierenden Kolonne einen neuen Gipfel erreicht. Sieben Minuten über die Zeit! Und der Kommandeur stand womöglich am Fenster, schaute auf die Uhr und grinste auf seine hinterhältige Art.
    Ich werde euch –! dachte Krüll, ich werde euch …! Weiter dachte er nicht, nur sein kleiner Finger, wo er das alles hatte, was ein ausgekochter Spieß wissen mußte, arbeitete unablässig.
    Der Schlagbaum ging hoch, die Kompanie schwenkte links ein, Unteroffizier Peter Hefe kommandierte mit heller, im Anblick des Kasernenhofes und des breitbeinig, mit in die Hüften gestemmten Fäusten dastehenden Oberfeldwebels wie erneuerter Stimme. Doch genau auf dem Wege der Marschkolonne lagen die vier Neuankömmlinge auf dem Bauch und blickten mit seitwärts gekehrten Gesichtern den Marschierenden entgegen.
    Peter Hefe sah es, obwohl etwas spät, und kommandierte
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