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Strafbataillon 999

Strafbataillon 999

Titel: Strafbataillon 999
Autoren: Heinz G. Konsalik
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gewartet, dann hätten Sie sich dieses altgermanische Heldenepos ersparen können.« Er griff umständlich in die Tasche, zog einen schriftlichen Befehl heraus und legte ihn zu den Akten, die einen Teil des Schreibtisches bedeckten.
    »Ihre Kompanie, die zweite vom Bataillon 999, rückt in den nächsten Tagen nach Rußland ab.«
    »Rußland?«
    »So ist es. In Abständen von zwei Tagen folgen die restlichen Kompanien. Ich komme mit der letzten, das ist mit der ersten des Bataillons, nach. Zufrieden?«
    »Nein, Herr Hauptmann!«
    »Noch immer nicht? Zum Donnerwetter, was wollen Sie noch?«
    »Eine ordentliche Truppe. Was soll ich mit diesen Halbtoten in Rußland anfangen? Sollen wir mit Wracks Krieg führen und gewinnen?«
    »Gewinnen? Obermeier, Sie dummer Junge!« Barth lächelte überdrüssig. »Na, so oder so: wir bekommen eine wunderhübsche Aufgabe. Sie werden Ihren ganzen Heldenmut beweisen können. Eine Aufgabe mit Termin, bis da und da fertig sein – sonst Kriegsgericht. Nicht nur das langweilige, blödsinnige Schanzen, Minenaufräumen, Bombenentschärfen, Gräbenentwässern, Munitionsschleppen, Straßenbauen, Kadaverwegräumen …«
    »Und – was soll diese wunderhübsche Aufgabe sein?«
    »Sie werden es rechtzeitig erfahren.« Barth trat ans Fenster und sah hinaus. Auf dem Appellplatz jagte Krüll einen Landser hin und her wie einen Hasen, der das Hakenschlagen üben soll.
    »Und wer ist dieser da? Sie kennen doch die Lebensgeschichten Ihrer Leute.«
    »Oberleutnant Stubnitz«, sagte Obermeier.
    »Schütze Stubnitz«, verbesserte ihn der Hauptmann. »Was hat er angestellt?«
    »In Dortmund ein Schnapsglas gegen das Führerbild geworfen und ›Prost August!‹ gerufen.«
    »Idiot!« sagte der Hauptmann.
    »Er war betrunken«, sagte der Oberleutnant.
    »Also ein betrunkener Idiot. Warum greifen Sie nicht ein? Warum jagen Sie Krüllschnitt nicht zum Teufel? Sie könnten gegen ihn einen Tatbericht wegen Mißhandlung der Truppe machen.«
    »Und was würde dabei herauskommen? Eine kurze Verhandlung. Frage: Welche Truppe? Antwort: Strafbataillon 999. Was haben Sie gemacht, Oberfeldwebel? Ich habe einen aufsässigen Soldaten im erlaubten Rahmen auf seine unrichtige Handlung aufmerksam gemacht. Gut so, Oberfeldwebel, machen Sie weiter! Der Blamierte wäre ich.«
    »Stimmt, Sie Schwärmer«, sagte der Hauptmann. »Sie sind gar nicht so dumm. Na, jetzt wird's ja besser, wenn wir nach Rußland kommen. Bald werden Sie von all Ihren Sorgen und tiefsinnigen Gedanken befreit sein.«
    »Wieso?«
    »Weil Sie –«, sprach der Hauptmann langsam und betonte jedes Wort, als müßte er es an die Wand nageln, »– weil Sie dort nach einigen Wochen keine Kompanie mehr haben werden.«
    Schweigen. Und dann, als wollte der Hauptmann den Eindruck seiner Worte besänftigen und die Schatten einer blutigen, gespenstischen Zukunft verjagen, die sich im Zimmer auszubreiten begannen: »Die vier Leute, die dort im Dreck liegen, gehören Ihnen. Das ist Ihr Ersatz. Interessante Leutchen – genau das Richtige für Ihre Sammlung. Der erste heißt« – Barth ging zum Schreibtisch und klappte einen Aktendeckel auf, den er mitgebracht hatte – »Gottfried von Bartlitz, ehemals Oberst und Eichenlaubträger, Divisionskommandeur, nun Schütze. Nach Stalingrad hatte er den Mund zu voll genommen, aber das Rückgrat hat ihm die Sache mit dem Rückzugsbefehl gebrochen – auch er wollte angeblich kein Schlächter sein. Der zweite heißt Erich Wiedeck. Ehemals Obergefreiter, ein Bauer aus Pommern, hat seinen Urlaub verlängert, weil er die Ernte einbringen wollte. Behauptet er. Dritter Karl Schwanecke, ehemals Werftarbeiter, aber nur ab und zu. Sonst hauptberuflich Gewohnheitsverbrecher und sozusagen ein Untermensch. Und der vierte, Dr. Ernst Deutschmann – ein bezeichnender Name, was? – Selbstverstümmelung. Sehr raffiniert ausgeklügelt, ging aber trotzdem schief. Das wär's. Was haben Sie, Obermeier?«
    »Wie – wie heißt der erste?« fragte der Oberleutnant stockend.
    »Wieso – kennen Sie ihn?«
    »Wie heißt er?«
    »Gottfried von Bartlitz. Kennen Sie ihn?«
    Der Oberleutnant nickte. »Er war früher einmal mein Bataillonskommandeur«, sagte er schwer.
    »Ach – nee! Ist ja interessant.« Der Hauptmann ging wieder zum Fenster und sah hinaus, als hätte er noch nicht genug von dem Anblick des umherstolzierenden und brüllenden Krüll. »Sehen Sie, so ist das«, sprach er halblaut, ohne den Oberleutnant anzusehen, »gestern hoch oben,
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