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Strafbataillon 999

Strafbataillon 999

Titel: Strafbataillon 999
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Rechtsschwenken, um den Liegenden auszuweichen. In der Kolonne entstand eine leichte Verwirrung.
    In diesem Augenblick fiel beim Oberfeldwebel Krüll die Klappe.
    »Geradeaus –!« brüllte er. Dadurch wurde die Verwirrung nur noch größer. Aber schließlich schaltete auch Peter Hefe. Er übersah die Situation, er wußte, was Krüll bezweckte, und seine Aufgabe war es nicht, etwas anderes zu bezwecken. Seine laute Kommandostimme schallte über den Hof, und die Dreierkolonne, 153 Mann, aufgeteilt in vier Züge, marschierte über die Liegenden und sang dazu ein Lied.
    Krüll wußte, daß er damit nichts riskierte. Die Abstände zwischen den Liegenden waren zwar knapp, aber nicht zu knapp. Wenn man vorsichtig auftrat, konnte man den Fuß zwischen sie setzen – auch wenn er in einem übergroßen Knobelbecher steckte. Außerdem wußte er, daß die Marschierenden genausowenig auf die Liegenden treten werden wie ein Pferd, wenn es über einen Menschen galoppiert, der auf dem Boden liegt … Aber – es war eine hübsche, eine neue Sache, ein Vorgeschmack für Neuankömmlinge, eine Warnung und eine Strafe im Vorschuß zugleich. Infolge hatte er diese Methode weiter vervollkommnet und manchmal die restliche Kompanie über einen liegenden Zug marschieren lassen, streng darauf achtend, daß die Marschierenden nicht aus dem Gleichschritt kamen; da dies fast unmöglich war und die Kolonnen regelmäßig ins Stolpern kamen, hatte er eine gute Handhabe zu immer neuen Übungen.
    Die Einrückenden waren müde und teilnahmslos. Viele verstanden nicht, um was es ging. Viele waren zu müde, um die Füße höher als zehn Zentimeter über den Boden zu heben, und meistens sahen sie die Liegenden erst ziemlich spät.
    So kam es, daß bei dieser Begrüßungsszene durch Oberfeldwebel Krüll alle vier einige schmerzhafte, blaue Flecke davontrugen, und der erste, Schütze Gottfried von Bartlitz, einen zerquetschten Finger, weil er die Hand zu spät wegzog.
    Der Bataillonskommandeur, Hauptmann Barth, stand am Fenster der Schreibstubenbaracke und blickte auf dieses Schauspiel. Als die letzten über die Liegenden schritten und die flach dahingestreckten, von oben bis unten verdreckten Gestalten wieder sichtbar wurden, wandte er sich um.
    »Ihre Kompanie, Obermeier?« fragte er den Oberleutnant, der hinter ihm stand.
    Der Oberleutnant nickte. »Sie kommt vom Arbeitseinsatz zurück. Sandgruben. Kein Vergnügen, bei diesem Sauwetter!«
    »Ein scharfer Hund, der Krüll«, sagte der Hauptmann und sah wieder hinaus. Und als der Oberleutnant hinter ihm nichts antwortete, fuhr er fort: »Genau der Richtige für uns.«
    »Na, ich weiß nicht, Herr Hauptmann«, sagte der Oberleutnant.
    Die Kompanie stand jetzt mitten auf dem Hof vor Oberfeldwebel Krüll. Peter Hefe machte seine Meldung, aber Krüll überhörte sie, gemütlich den 153 Männern zunickend. Dann schob er den Daumen zwischen den dritten und vierten Knopf seiner Uniformbluse und begann eine seiner alltäglichen Begrüßungsreden, wo er von Picknick in freier Natur sprach, von Steinchen, die sie wahrscheinlich über die Warthe haben hüpfen lassen, da sie zu spät kamen, von diesem und jenem – und im Grunde unterschied sich seine Ansprache kaum von Tausenden anderer Ansprachen, die um diese Zeit auf den Kasernenhöfen fast ganz Europas gehalten wurden, von anderen Spießen an andere Soldaten, Rekruten und Altgediente. Der einzige Unterschied war der, daß es hier Männer eines Strafbataillons waren, die zuhörten – das heißt: die meisten hörten gar nicht zu.
    Oberflächlich gesehen, war dieser Unterschied nicht so gewaltig. Ein Strafbataillon war zwar eine Einheit, die aus lauter Todeskandidaten bestand, genauer – aus etwa 95 bis 98 Prozent Todeskandidaten. Aber Todeskandidaten waren in dieser Zeit ja fast alle Uniformierten, auch wenn die Verlustquoten bei anderen Einheiten nicht so groß waren, obschon sie manchmal die der Strafbataillone fast erreichten. Der Unterschied bestand in den Uniformen, in der Verpflegung, vor allem aber in dem, was vor dem Tode kam: dem Unmaß von Erniedrigung, geistiger und körperlicher Vergewaltigung, Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung.
    Als Krüll mit seiner Ansprache fertig war, jagte er die ausgepumpten Männer zweimal bis an die hintere Mauer, ließ sie einmal hinlegen und befahl ihnen schließlich abzutreten. Die vier Neuen ließ er immer noch liegen.
    »Jetzt prügeln sie sich um die Wasserhähne«, sagte der Oberleutnant.
    »Wieso?« fragte
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