Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stoner: Roman (German Edition)

Stoner: Roman (German Edition)

Titel: Stoner: Roman (German Edition)
Autoren: John Williams
Vom Netzwerk:
korrekt?«
    »Ja, Sir«, sagte Stoner.
    Sloane lehnte sich in seinem Sessel zurück und schaute zu dem Lichtviereck auf, das durch das kleine, hohe Fenster fiel. Er tippte die Fingerspitzen aneinander und wandte sich dann wieder dem jungen Mann zu, der steif vor ihm hockte.
    »Der offizielle Zweck dieses Gesprächs ist es, Ihnen mitzuteilen, dass Sie die Änderung Ihrer Studienfächer beantragen müssen und Ihre Absicht, das anfängliche Studienprogramm aufgeben und sich endgültig für ein neues Studienziel entscheiden zu wollen, förmlich kundzutun haben. Eine Angelegenheit von fünf Minuten im Büro des Sekretariats. Sie kümmern sich darum, nicht wahr?«
    »Ja, Sir«, erwiderte Stoner.
    »Doch wie Sie bereits erraten haben dürften, ist dies nicht der eigentliche Grund, weshalb ich Sie bat, bei mir vorbeizuschauen.Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich Sie ein wenig nach Ihren Zukunftsplänen befrage?«
    »Nein, Sir«, antwortete Stoner und blickte auf seine eng ineinander verflochtenen Hände.
    Sloane strich über den Aktenordner, den er auf seinen Schreibtisch gelegt hatte. »Wenn ich mich nicht irre, waren Sie bereits ein wenig älter, als Sie an die Universität kamen. Fast zwanzig, glaube ich?«
    »Ja, Sir.«
    »Und damals hatten Sie vor, den Studiengang Agrarwirtschaft zu absolvieren?«
    »Ja, Sir.«
    Sloane lehnte sich wieder in seinem Sessel zurück und sah zu der im Zwielicht verschwindenden hohen Decke hinauf. Dann fragte er abrupt: »Und wie sehen jetzt Ihre Pläne aus?«
    Stoner blieb stumm. Das war etwas, woran er nicht gedacht hatte, woran er nicht denken wollte. Schließlich antwortete er leicht verstimmt: »Ich weiß nicht. Ich habe mir darüber bislang kaum Gedanken gemacht.«
    »Freuen Sie sich auf den Tag, an dem Sie diese klösterlichen Mauern verlassen und in das hinaustreten können, was manch einer die Welt nennt?«
    Stoner grinste durch seine Verlegenheit hindurch. »Nein, Sir.«
    Sloane tippte auf den Papierstapel auf seinem Tisch. »Diese Unterlagen haben mir verraten, dass Sie aus einer ländlichen Gegend stammen. Ich nehme also an, dass Ihre Eltern Farmer sind?«
    Stoner nickte.
    »Und wollen Sie auf diese Farm zurückkehren, sobald Sie hier Ihren Abschluss gemacht haben?«
    »Nein, Sir«, erwiderte Stoner, und die Bestimmtheit seines Tons überraschte ihn. Mit einigem Erstaunen registrierte er die Entscheidung, die er gerade getroffen hatte.
    Sloane nickte. »Es würde mich nicht sonderlich überraschen, wenn ein ernsthafter Student der Literaturwissenschaften feststellen sollte, dass seine Fähigkeiten den Anforderungen des Ackerbodens nicht recht genügen.«
    »Ich gehe nicht zurück«, fuhr Stoner fort, als hätte Sloane nichts gesagt. »Auch wenn ich nicht genau weiß, was ich tun soll.« Er schaute wieder auf seine Hände und sagte, als spräche er zu ihnen: »Ich kann gar nicht glauben, dass ich schon so bald fertig bin und Ende des Jahres die Universität verlassen muss.«
    Wie beiläufig sagte Sloane: »Natürlich besteht keine unbedingte Notwendigkeit, dass Sie von der Universität abgehen. Irre ich mich, wenn ich annehme, dass Sie über kein eigenes Einkommen verfügen?«
    Stoner schüttelte den Kopf.
    »Ihre Studienergebnisse sind ausgezeichnet. Bis auf …«, er zog die Augenbrauen in die Höhe und lächelte, »… bis auf Ihre Zensur für den Einführungskurs in die englische Literatur haben Sie lauter Einsen in sämtlichen Literaturseminaren vorzuweisen, und auch in keinem anderen Fach stehen Sie schlechter als zwei. Wenn Sie also den Unterhalt für ein weiteres Jahr aufzubringen vermöchten, könnten Sie, da bin ich mir sicher, erfolgreich Ihren Magister ablegen, wonach sich für die Dauer der Arbeit an Ihrer Promotion gewiss die Möglichkeit zum Unterrichten ergäbe, falls Sie denn an dergleichen überhaupt interessiert sind.«
    Stoner fuhr zurück. »Was wollen Sie damit sagen?«, fragte er und hörte Furcht in seiner Stimme mitschwingen.
    Sloane beugte sich vor, bis sein Gesicht nur noch eine Handbreit von ihm entfernt war, sodass Stoner sah, wie sich die Furchen in dem schmalen, langen Gesicht glätteten, und er hörte, wie die trockene, spöttische Stimme plötzlich sanft und ungeschützt klang.
    »Wissen Sie es denn nicht, Mr Stoner?«, fragte Sloane. »Kennen Sie sich selbst noch so wenig? Sie sind ein Lehrer.«
    Die Wände des Büros wichen zurück, und Sloane schien mit einem Mal sehr fern zu sein. Stoner fühlte sich, als schwebte er im weiten Äther, und er
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher