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Stolz der Kriegerin

Stolz der Kriegerin

Titel: Stolz der Kriegerin
Autoren: Sandra Melli
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grüne Barriere zu umschiffen, doch er fuhr nur durch die zerfaserten Ausläufer, die keine Geister mehr enthielten. Für ihn als blauen Gestaltwandler wäre das schon zu normalen Zeiten eine höllische Qual gewesen. Aber nun tauchte er kurz vor seiner endgültigen Umwandlung in das für ihn hochgiftige Grün ein. Vor Schmerzen halb wahnsinnig, wünschte er sich nur noch zu sterben. Nicht lange, da erlosch sein Geist wie eine Kerze im Wind.
    Im Aufwachen fühlte Gayyad, dass sich das große Boot sanft auf dem Wasser wiegte. Erschrocken erhob er sich und sah sich um. Die grüne Barriere lag hinter ihm, und er befand sich noch immer auf der östlichen Seite des Großen Stromes, und zwar, wie er rasch bemerkte, an einer sehr einsamen Stelle. Darüber war er froh, denn in seiner jetzigen Gestalt wäre er ungern von Freistädtern oder gar Anhängern Ilynas entdeckt worden. Aber auch Schwarze würden alles tun, um ihn umzubringen.
    Unwillkürlich blickte er an sich herab und sah, dass er wieder eine helle, fast durchscheinende Haut und einen sehr schlanken Körper besaß. Im gleichen Augenblick stellte er erleichtert fest, dass die Schmerzen bis auf einen letzten Nachhall abgeklungen waren. Also war seine Umwandlung auch innerlich schon fast vollendet.
    Er beugte sich über die Bordwand seines Bootes und sah auf sein Spiegelbild hinab. Es zeigte ihm ein schmales, blasses Gesicht mit tiefliegenden grünen Augen und ebenfalls grün schimmernden, schulterlangen Haaren. Der Echsenschwanz war verschwunden, aber dafür besaß er nun lange, spitz zulaufende Ohren, die er mit etwas Mühe bewegen konnte, so wie die hochgewachsene Gestalt eines Eirun aus dem Grünen Land. Er war zu Erulim geworden, seiner grünen, ebenso geliebten wie verhassten Erscheinungsform.
    Ein zufriedenes Lächeln überflog sein Gesicht, als er daran dachte, dass niemand darauf kommen konnte, Erulim und Gayyad wären zwei Ausprägungen ein und derselben Person. Nach den Lehren der heiligen Farben waren Grün und Blau Todfeinde, und daher sollte es kein Lebewesen geben, das von der einen in die andere Farbe wechseln konnte.
    Aber so unmöglich, wie die Priester und Magier glaubten, war es doch nicht. Schließlich existierte er. Viele seiner Siege hatte er gerade dieser Doppelnatur zu verdanken. Zu seinem Leidwesen war er jedoch ein Sklave dieser Fähigkeit. Diesmal hatte ein einziger Blick in die schmutzige, grüne Seele eines Piraten ausgereicht, um die Verwandlung in Gang zu setzen. Dabei hätte er unbedingt noch einige Monate in seiner blauen Gestalt verbringen müssen, um den Schlag gegen T’wool persönlich zu überwachen. Doch nun war er zum Zuschauen verdammt, und ihm blieb nur die Hoffnung, dass seine Vorbereitungen ausreichend gewesen waren, um das erstrebte Ziel zu erreichen.
    Während Erulim sein Spiegelbild betrachtete und über seine nicht gerade erfreuliche Situation nachdachte, erwachten seine Selbstheilungskräfte, und er spürte, wie die Nachwirkungen des magischen Feuers, das ihn bei der Umwandlung beinahe verbrannt hatte, abklangen. Auch war seine grüne Gestalt nun voll ausgeprägt und fühlte sich so an, als würde sie etliche Monate stabil bleiben. Erst nach dieser Zeit würde er wieder in der Lage sein, eine Rückumwandlung zu versuchen, und selbst dann war es unsicher, ob dies auf Anhieb gelang. Es ärgerte ihn, dass er diese Fähigkeit nicht gezielt einsetzen konnte, sondern seine Verwandlung dem Zufall oder äußeren Einflüssen überlassen musste. Nicht zum ersten Mal war dies zu seinem Nachteil gewesen, aber diesmal war es besonders fatal.
    Es ging ja nicht nur um T’wool. Ein ganzes Stück weiter im Norden wurde dieser Tage der König des kleinen Bergkönigreiches Andhir zum obersten Feldherrn der blauen Reiche ernannt. Auch an dieser Stelle hätte er eingreifen müssen, um alle Fäden in der Hand zu behalten, mit denen er die Geschicke der Dämmerlande in seinem Sinne zu lenken versuchte.
    Erulim beschloss, Andhir und dessen König erst einmal als nachrangiges Problem zu betrachten. Wichtiger war es für ihn, eine Gegend zu erreichen, in der er in seiner grünen Gestalt aktiv werden konnte. Er suchte die Kleidung zusammen, die er während seiner Umwandlung auf dem Schiffsboden verstreut hatte, packte sie zusammen und ließ sie in einer kleinen Glasfalle verschwinden, die er für diesen Zweck bei sich trug. Danach nahm er einen silbernen Anhänger, öffnete dessen komplizierten Verschluss und hielt eine andere Glasfalle in der
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