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Stolperherz

Stolperherz

Titel: Stolperherz
Autoren: Boje Verlag
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stand auf, ging zum Fenster und schob den Vorhang zur Seite. Im schwachen Laternenlicht konnte ich eine Gestalt erkennen. Ich öffnete das Fenster und sah hinaus.
    »Red, ich bin’s. Bitte komm kurz runter.«
    Es war Greg.
    »Nein.«
    »Bitte!«
    »Nein.«
    »Sanny, bitte! Du hast doch damals selbst gesagt, dass Menschen Fehler machen, das passiert eben im Leben. Bitte komm runter!«
    »Ich wüsste nicht, was du mir noch zu sagen hättest«, zischte ich in die Dunkelheit. »Und überhaupt, was machst du hier?«
    »Bitte komm runter. Oder willst du, dass die gesamte Nachbarschaft über dein Liebesleben Bescheid weiß?«
    Natürlich wollte ich das nicht.
    »Welches Liebesleben?«, antwortete ich gereizt, »ich besitze keines.«
    »Oh doch, Sanny Red Tabor. Du besitzt eines und jetzt komm endlich runter!«
    Genervt knallte ich das Fenster ein wenig zu kraftvoll zu und hoffte, dass Lisa nicht aufgewacht war. Sie hatte mir natürlich striktes Kontaktverbot mit den Jungs sowie auch Kira und Michelle erteilt, was im Grunde gar nicht nötig gewesen wäre, denn ich hatte nicht das geringste Bedürfnis, auch nur einen von der Truppe zu hören oder zu sehen.
    Leise stieg ich die Treppe hinab, ging zur Tür und öffnete sie.
    »Hey.«
    »Hm.«
    »Sanny, bitte lass es mich erklären.«
    Greg nahm meine Hände in seine, aber ich zog sie weg und verschränkte die Arme vor meiner Brust. Es war mir egal, dass er mich in kompletter Girlie-Schlafmontur mit Glücksbärchi-Aufdruck sah, ich hatte ohnehin nichts mehr zu verlieren.
    »Also was?«, sagte ich unfreundlich.
    »Bitte, wie du willst. Wenn es sein muss, krieche ich drei Tage auf Knien im Dreck herum, nur damit du mich anhörst.«
    »Das können wir umgehen«, antwortete ich, »ich gebe dir drei Minuten.«
    »Gut«, antwortete Greg, »ich habe es verdient. Also.«
    »Also.«
    »Okay.« Greg holte so tief Luft, dass ich beinahe Angst bekam, er würde auf der Stelle umfallen.
    »Sanny Red Tabor«, begann er, und bevor ich ihn unterbrechen konnte, weil ich diesen unseligen Spitznamen nicht mehr hören wollte, legte er seinen Finger auf meinen Mund.
    »Bitte hör mir zu, ohne mich zu unterbrechen. Danach kannst du mich zum Teufel oder sonst wohin jagen. Nur hör es dir wenigstens an.«
    Ich verzichtete also auf meinen Einspruch und verdrehte genervt die Augen.
    »Gut.«
    »Sanny Red Tabor«, setzte Greg ein zweites Mal an, »du bist eine außerordentlich anstrengende Person.«
    »Bitte?«
    »Lass mich!«
    »Oh Mann.«
    »Gut. Du bist also eine außerordentlich anstrengende Person. Das nur vorweg. Ich habe noch nie jemanden gekannt, der so ist wie du.«
    »Hm.«
    »Du verwirrst die Leute mit deiner seltsamen Art, erst gar nichts zu sagen und dann einen Hammer nach dem anderen rauszuhauen. Du setzt dir was in den Kopf und machst es einfach, ohne über die Konsequenzen für dich nachzudenken. Du bewegst Menschen dazu, Dinge zu tun, die sie sich selbst nie zugetraut hätten.«
    »Hm.«
    »Mich zum Beispiel.«
    »Hm.«
    »Wenn ich mit dir zusammen bin, macht einfach alles viel mehr Sinn. Ich sehe viel klarer – du bist wie eine Taschenlampe für mich.«
    Ich hatte noch nicht viele Komplimente von Jungen bekommen, aber mit einer Taschenlampe verglichen zu werden schien mir trotzdem steigerungsfähig.
    »Ich dachte, Marie sei deine Taschenlampe «, antwortete ich, ohne ihm in die Augen zu sehen. »Wer auch immer sie ist.«
    »Marie ist meine Exfreundin. Wir sind seit Januar getrennt. Ich wollte sie mit dem Lied beeindrucken, das stimmt. Aber das war vor unserer Reise. Bevor ich dich kannte. Bevor sich alles geändert hat.«
    »Und jetzt willst du sie nicht mehr beeindrucken?«
    Greg schüttelte den Kopf. »Nein. Nein, will ich nicht. Jetzt will ich nur noch dich beeindrucken. Auch, wenn«, er lächelte mich an und strich sich eine Strähne hinters Ohr, wie er es immer tat, »auch, wenn es zugegebenermaßen verdammt schwer ist, dich zu beeindrucken.«
    »Ach ja?«
    »Ja. Ich kenne wirklich niemanden, der so mutig ist wie du.«
    »Mutig?« Ich lachte spöttisch auf. »Du verwechselst mich.«
    »Ganz sicher nicht«, sagte Greg und sah mich eindringlich an. »Du stehst tausendprozentig hinter dem, was du tust. Du stehst für deine Überzeugungen ein. Du tust alles dafür, du selbst zu sein.«
    Ich wusste nicht, was ich antworten sollte, also sagte ich: »Was ist mit Marie?«
    »Nichts ist mit Marie. Marie ist ein Mädchen, das man wegen seiner Schönheit bewundern mag. Aber du … Du bist das
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