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Stollengefuester

Stollengefuester

Titel: Stollengefuester
Autoren: Marijke Schnyder
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an ihr Ohr.
    »Nore! Endlich!«
    Seine Wangen waren hochrot. Er rieb sich die kalten Hände.
    »Schau mal, wer dich besuchen kommt!«
    Hinter Nino Zoppa tauchten zwei Altbekannte auf.
    Elsi Klopfenstein und ihr Freund! Sie suchte nach seinem Namen. Künzi, Fritz oder Fred.
    Musste das sein?
    Elsi trug eine dicke, unförmige Pelzjacke. Ein turbanartiges Gebilde aus dunkelgrüner Wolle bedeckte ihren Kopf.
    Sie schien sich sehr unbehaglich zu fühlen.
    Bastian Bärfuss hatte Nore Brand angerufen. Der Direktor des Grandhotels Belvedere sei tödlich verunglückt. Kurz bevor er das Gespräch beendete, erinnerte er sie an ihr Talverbot.
    Natürlich erinnerte sie sich an das Talverbot des großen Chefs. Was für ein lächerlicher Blaubart!
    Sie bedauerte den Unfall des Direktors, wollte jedoch keinen Zusammenhang zwischen diesem Unglück und ihrem Talverbot herstellen. Sie hatte gelacht und Bastian Bärfuss darauf aufmerksam gemacht, dass sie ein paar Tage Ferien hatte. Nichts würde sie daran hindern, wieder einmal richtig auszuschlafen, sich im warmen Wasser zu entspannen und in der Ruhezone unter dem Dach des Oktogons stundenlang zu dösen. Ende der Woche wäre Jacques wieder zurück von seiner kulinarischen Forschungsexpedition.
    Sie schaute die beiden an. Der Markt hatte sie nach Bern gelockt, was denn sonst. Wie so viele Tausende an diesem Montagmorgen im November. Sie brauchte nicht gleich das Allerschlimmste zu befürchten.
    Fritz oder Fred Künzi nickte freundlich und lächelte Nore Brand entschuldigend zu, bis die Bedienung ihn mit ein paar unwirschen Bemerkungen aus dem Weg schob.
    Nino Zoppa zerrte ein paar Stühle zum Tisch.
    »Setzt euch doch hin! Nore, du hast sicher nichts dagegen!«
    Die kurze Begrüßung war im Lärm untergegangen.
    Elsi Klopfenstein holte ein Taschentuch hervor und trocknete sich das schweißnasse Gesicht.
    »Eine Sauhitze ist das hier drin«, klagte sie. »Das bin ich nicht gewohnt! Bei mir, draußen am See, ist es immer frisch. Am Morgen jedenfalls! Gell, Fritz!«
    Also, doch Fritz und nicht Fred.
    Fritz Künzi verzog sein Gesicht schon wieder zu einem entschuldigenden Lächeln.
    Die Bedienung hatte sich wieder herangeschoben. »Was darf es denn sein?«
    »Milchkaffee und Gipfeli«, sagten die zwei wie aus einem Mund.
    Nino Zoppa grinste und zwinkerte Nore Brand zu.
    »Für mich auch, bitte«, sagte er und wandte sich wieder an Nore Brand.
    »Bärfuss hat mir gesagt, wo ich dich heute Morgen finde.«
    »Schon gut.«
    Sie brauchte sich nichts vorzumachen. Die beiden waren nicht zu ihrem Vergnügen hier. Das war alles andere als ein Freundschaftsbesuch.
    Nore Brand erinnerte sich an die Empörung von Elsi Klopfenstein. Bern! Nie mehr in ihrem Leben würde sie einen Fuß in diese Stadt setzen. Man war sich des Lebens nicht mehr sicher, sobald man den Zug aus dem Oberland verließ. Ihre Freundinnen konnten ein Liedlein davon singen und Schauermärchen erzählen. Das Geld sei nirgends mehr sicher, auch nicht in ihrem soliden Büstenhalter, der über die Jahre hinweg das beste Versteck gewesen war. Nichts war mehr wie früher.
    Dass Elsi Klopfenstein vom Lenkerseekiosk ihre Vorsätze über den Haufen geworfen hatte, bedeutete etwas.
    Ein Jahr war vergangen. Es war Elsi Klopfenstein gewesen, die, ohne dies zu ahnen, erzählenderweise nicht wenige Teilchen im Fall Klara Ehrsam zusammengetragen hatte. Sie hatte in ihrem Kioskhäuschen am See vieles mitbekommen. Nore Brand fürchtete, dass sich daran nichts geändert hatte.
    Nun saß sie also da, diese Kioskfrau aus der Lenk, die hoch und heilig geschworen hatte, nie in ihrem Leben wieder nach Bern zu fahren, in diese gefährliche Stadt, wo ältere Frauen am helllichten Tag überfallen und ausgeraubt werden konnten, weil kein Mensch hinsah und sich für sie zur Wehr setzte.
    Nore Brand war es, als ob es gestern gewesen wäre, als sie am Lenkersee saß, mit dem dampfend heißen Kaffee von Elsi Klopfenstein in der Hand.
    Es würde einige Elefanten brauchen, um sie aus ihrem Tal heraus nach Bern zu zerren, hatte Elsi damals steif und fest beteuert.
     
    Nore Brand beugte sich über den Tisch.
    »Wie viele Elefanten mussten es sein?«
    Elsi Klopfenstein war verblüfft.
    »Das haben Sie also nicht vergessen!«
    Nore Brand lächelte. »Wie denn?«
    Elsi Klopfenstein lächelte zurück.
    »Das mit den Elefanten war natürlich ein dummer Spruch. Ich weiß genau, was Sie jetzt denken, Frau Brand. Aber wenn es um Leben und Tod geht, muss man über seinen
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