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Störgröße M

Störgröße M

Titel: Störgröße M
Autoren: Bernd Ulbrich
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Routinemeldungen aus. Ich verliebte mich sofort in dich. Deine Nase…«
»Ich mich in dich«, unterbrach sie ihn.
Er lächelte matt. »Wir taten etwas sehr Verbotenes. Unerhörtes. Den gesamten Wachturnus verplauderten wir miteinander.«
»Ja«, sagte sie, »und dabei blieb es fünf Jahre hindurch.« Ihre Hand tastete über ihn hin, bettete Arme und Kopf bequemer.
»Hab keine Sorge«, wehrte er ab, »es geht mir gut und immer besser. Manchmal waren wir einander sehr nahe. Einmal sogar weniger als zehn Millionen Kilometer.«
»Ich war auf der Venus, du auf der Erde.« .
»Was habe ich nicht alles versucht, um zu dir zu kommen.«
»Wir hatten eine dringende Order. In neuneinhalb Millionen Kilometern Entfernung flogen wir an der Erde vorüber.«
Er lachte. »Wären wir abergläubisch, hätten wir uns schon damals sagen müssen, das Schicksal ist gegen uns: Es hat nicht sollen sein. Früher übten sich die Helden in solch einem Fall in edler Entsagung.«
Ihre Blickte irrten über sein Gesicht. »Hättest du es gekonnt?«
In seinem Innern wuchs eine beängstigende Kraft. Fast hätte sie ausgereicht, um aufzuspringen. Er wollte sie umarmen. »Nein«, sagte er fest, »niemals.«
»Und wenn nun unsere Liebe ein Phantom ist?« fragte sie.
»Wir werden es herausbekommen«, erwiderte er, »irgendwann bekommen wir es heraus, und sei es in der nächsten halben Stunde.«
Sie musterte ihn voller Sehnsucht. »Was für ein Moment! Zum ersten Male standen wir uns wirklich und wahrhaftig gegenüber. Ich konnte kaum noch atmen. Der Anzug. In mir hatte sich eine Vorstellung von dem Augenblick angestaut. Ich konnte nicht anders, ich mußte dir um den Hals fallen. Diese verfluchten Anzüge. Ich spürte nichts von dir. Wußtest du überhaupt, daß ich der Hilfsexpedition angehörte?« Sein Blick bejahte die Frage. »Ich hörte, daß man uns Spezialisten schicken wollte vom Merkur. Ich ließ mir sofort die Namen geben. Als ihr bei der ersten Eruption drei Mann verlort und Freiwillige gesucht wurden… Sollte ich riskieren, daß du wieder abfliegst, ohne daß ich dir begegnet wäre?«
Sie sagte: »Wie oft haben wir uns unsere Geschichte nicht schon erzählt? Ich könnte sie noch hundertmal hören. Mit jedem Aufwachen ist es eine neue Geschichte. Sie gehört doch dazu, zu jeder Stunde unserer Gegenwart. So besitzen wir siebzehn Leben oder noch mehr.«
»Wie die Katzen«, sagte er. »Wir sind unverwüstlich.«
Sie ergaben sich der heiteren Zuversicht des Augenblicks, und es wollte ihnen scheinen, als würden ihnen dadurch hundert Jahre verlorener Zeit zurückgegeben.
Ein wenig von der wächsernen Starre hatte ihr Gesicht verloren. Doch waren ihre Züge noch immer von jener Durchsichtigkeit, die mitunter unheilbar Kranken eigen ist. Er wollte sich eine Antwort auf die Frage geben, ob er sich in dieses Gesicht verliebt hätte. Er fand sein einfaches Ja unbefriedigend. Bemühte es eine andere Zeit, die zu lange zurücklag? Nicht Zweifel an sich selbst bedrängten ihn. Es war die schreckliche und schöne Vorstellung, das alles sei eine einzige, zusammenhängende, unteilbare Zeit. Er vertiefte sich in diese Erkenntnis seiner Liebe und bemerkte kaum noch, wie sein Blick in selbstvergessener Zärtlichkeit auf ihrem Antlitz ruhte.
Irgendwann schreckte ihn ihr leiser Ruf auf. »Sieh mich nicht so an. Ich bringe es fertig und reiße uns die Helme herunter, nur um dich einmal zu berühren. Ewig stehen wir uns als Gefangene gegenüber. Es tut weh, wenn du mich so ansiehst.«
Er richtete sich auf, kniete schließlich vor ihr, nahm sie in die Arme und wiegte sie wie ein Kind. »Weshalb sind wir hier? Was hat es für einen Sinn? Damals? Heute? Morgen? Wofür sind wir gestorben?«
»Sind wir tot?« rief sie.
Eine unentschlossene Regung verspannte sein Gesicht und ließ ihn jede Muskelfaser spüren. »Kennst du die Legende von Drakula? Wir sind untot, weder lebend noch Leichnam.«
»Wir müssen etwas tun«, sagte sie.
»Ja, das müssen wir.«
»Wieviel Energie haben wir noch?«
»Bei normaler Belastung einhundertzweiundzwanzig Stunden Funktionsfähigkeit garantiert«, antworteten die Coder einhellig.
»Fangen wir immerhin an«, sagte sie. »Vielleicht schaffen wir es, in zwei oder drei Tagen den Ausgang freizulegen.«
»Und du bist sicher«, Saul wagte ein schüchternes Grienen, »das ist nicht erfunden?«
    Aufbrausend entgegnete Demperer: »Auf meinen Großpapa lasse ich nichts kommen.«
»Na ja«, äußerte Saul, »aber dessen Großpapa.«
»Hör mal«, fuhr
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