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Stoer die feinen Leute nicht

Titel: Stoer die feinen Leute nicht
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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seiner rötlichen Seemannskrause herum. Ein Wikinger der Wissenschaft.
    „Die studentische Hilfskraft Katja Marciniak meldet sich zur Stelle!“
    Biebusch zuckte zusammen, starrte sie sekundenlang an, als wäre eine Figur aus dem Reich seiner Tagträume plötzlich zum Leben erwacht, erhob sich dann andeutungsweise und begrüßte sie mit der gleichen Freude, die ein reicher Mann empfindet, wenn er 3 Mark 50 im Lotto gewinnt. Zwar gab er ihr die Hand, aber Katja, die hin und wieder Science-Fiction-Romane las, wurde unwillkürlich an die unsichtbare Kuppel eines Kraftfeldes erinnert, das die Astronauten um sich und ihr Raketenfahrzeug legen, um von feindlichen Einflüssen unbehelligt zu bleiben.
    Sie setzte sich, und Biebusch schob ihr wortlos die Karte zu. Das billigste Gericht lag so bei 7 Mark. Sie hätte sich schon ein Gedeck zu 14 Mark leisten können, ein Hirschsteak etwa; schließlich hatte ihr die Großmutter ein ganz hübsches Sparbuch hinterlassen. Aber sie hatte keine Lust, fette Wirte noch fetter zu machen. Daß Biebusch sie einlud, war unwahrscheinlich, denn der dachte todsicher wieder, sie könnte seine Einladung als Eröffnung eines längst in der Luft liegenden, aber von ihm heftig gefürchteten Liebesspiels auffassen. So entschied sie sich für ein Bauernfrühstück, ganz ihrem ersten Eindruck von Bramme angemessen, während Biebusch tatsächlich das Hirschsteak wählte.
    Das Gespräch kam nur mühsam in Gang. Biebusch fragte nach Reise, Unterkunft und Stimmung und sie fragte ihn nach seinen bisherigen Erlebnissen in Bramme.
    Biebusch war Asthmatiker, und seine Worte waren mit pfeifenden Atemzügen unterlegt. „Bramme hat sich ganz schön verändert. Ich war seit zwanzig Jahren nicht mehr hier, seit mein Onkel tot ist. Früher habe ich immer die Ferien hier verbracht… Ja… Aber dennoch: es gab noch einige Anlaufstellen für mich. Es ist von unschätzbarem Wert für uns, daß mein alter Freund Hänschen Lankenau zur Zeit Bürgermeister ist… Apropos, wir sind um 15 Uhr bei ihm eingeladen, kurzer Antrittsbesuch…“
    „Das ist ja erfreulich“, sagte Katja. Ein wenig patzig, ein wenig hölzern.
    Das Essen kam, und es quälte sie, daß sie sich so fremd gegenübersaßen. Für Biebusch war sie, wie sie meinte, kein Mensch, sondern ein Instrument. Er brauchte sie für seine Untersuchung, für die sogenannte Feldarbeit, und sie mußte ihn hinnehmen, wie er war, denn mit der Annahme oder Ablehnung ihrer Diplomarbeit entschied er über ihr Schicksal.
    Biebusch erzählte von seiner Frau, die gerade in Berlin in der Hochschule für Musik einen Liederabend gegeben hatte – Schubert, Schumann, Mahler, Fauré und Poulenc; er erzählte von seinem Vater, der in den Aufsichtsräten einiger Banken und Konzerne saß, schätzungsweise fünfzigtausend im Monat verdiente, und von seiner Mutter, die – obwohl sie’s natürlich nicht nötig hatte – unter ihrem Mädchennamen lateinamerikanische Prosa übersetzte, Cancela, Barletta, Heredia… Katja erzählte von Frau Meyerdierks und Alfons Mümmel. Dann erkundigte sie sich:
    „Wann kommen denn die anderen beiden?“
    „Herr Kuschka nimmt Frau Haas in seinem Wagen mit. Wir treffen uns morgen Punkt zehn im Büro.“
    „Im Büro…?“
    „Lankenau hat dafür gesorgt, daß wir oben im Rathaus ein Zimmer bekommen.“
    „Dann kann ja nichts mehr schiefgehen.“ Katja versuchte es mit einer gewissen ironischen Distanz, hatte aber nicht den Eindruck, daß es ihr gelang. Es wirkte eher naiv.
    „Das ist schon ein ausgezeichnetes Team“, sagte Biebusch. „Wie haben Sie sich denn vorbereitet?“
    Katja stammelte etwas von Fieber und heftigen Kopfschmerzen, dann zählte sie auf, was sie alles gelesen hatte – mehr oder minder diagonal: „Bahrdt, Schwonke, König, Wurzbacher, Elisabeth Pfeil, Renate Mayntz – und zuletzt Mitscherlich: Die Unwirklichkeit unserer Städte“.
    „Unwirtlichkeit“ , verbesserte Biebusch. „Bei mir, in meiner Einführung in die empirische Soziologie, steht ja auch einiges drin, was für uns nützlich sein könnte.“
    „Das ja… Auf alle Fälle…“ murmelte Katja. Sie hatte ihre Mahlzeit beendet und wischte sich die Lippen ab. Leinenservietten hatten sie hier. Biebusch wartete noch auf seinen Nachtisch.
    „Sehen Sie mal…“ Biebusch machte eine knappe Kopfbewegung zur Tür hin, wo zwei Herren vom Ober devot begrüßt wurden, beide nicht viel älter als Biebusch, so Anfang Vierzig… „Die Opposition. Der mit der Brille ist Dr.
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