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Stirb leise, mein Engel

Stirb leise, mein Engel

Titel: Stirb leise, mein Engel
Autoren: Andreas Götz
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Wieder ein Tag, an dem sie wohlbehalten nach Hause kam. Wenn auch eine halbe Stunde später als angekündigt. Aber er würde ihr keine Vorwürfe machen. So cool und locker wie möglich trat er in die Küchentür.
    »Hallo, Mama, da bist du ja endlich. Dann kann ich die Pizza in den Ofen schieben.«
    »Unbedingt! Ich sterbe vor Hunger.«
    Sascha ging zur Anrichte, schob das Blech mit der selbst gemachten Pizza ins Rohr und stellte die Zeitschaltuhr. »Fünfundzwanzig Minuten«, sagte er. Seine Mutter sank stöhnend auf einen Stuhl und streifte die Schuhe ab.
    »Wie war dein Tag? Gibt’s wieder einen interessanten Fall?«
    Sie hatte sich inzwischen ein Stück Weißbrot genommen, etwas davon abgerissen und in den Mund geschoben.
    »Ein Mädchen hat sich umgebracht«, sagte sie kauend. »Mit Zyankali. Was irgendwie komisch ist. Wie kommt eine Sechzehnjährige an Zyankali?«
    Sascha fand das nicht besonders ungewöhnlich. »Heutzutage kriegst du übers Internet doch alles.«
    »Wahrscheinlich.«
    »Und du musst jetzt rausfinden, wer ihr das Gift vertickt hat?«
    »Wird schwer, aber wir versuchen es.«
    Ihr Handy klingelte. Hoffentlich muss sie nicht gleich wieder weg, dachte Sascha sofort. Seine Mutter nestelte ihr Smartphone aus der Hosentasche und meldete sich. »Ilona Schmidt. – Ja. – Mach ich morgen gleich als Erstes. – Ihnen auch einen schönen Feierabend.« Sie schaltete das Handy aus und legte es weg.
    Sascha hatte inzwischen die Flasche Chianti von der Anrichte geholt. Von seinem Vater hatte er gelernt, dass der Geschmack sich erst richtig entfaltete, wenn der Wein atmen konnte. Deshalb hatte er die Flasche schon vor einer halben Stunde entkorkt. Nun füllte er das Glas seiner Mutter bis zur Hälfte.
    »Und wie sind die neuen Nachbarn so?«, fragte sie. »Schon was mitgekriegt von ihnen? Außer den Umzugskisten im Flur, meine ich.«
    »Keine Ahnung. Ziemlich laut.«
    Seine Mutter ließ sich mit einem Seufzer gegen die Stuhllehne sinken. Sascha wusste sofort, was jetzt kam. »Oh, Sascha-Liebling, wäre es eine arge Zumutung für dich, deiner alten Mutter den Nacken zu massieren, bis die Pizza fertig ist? Ich bin wieder so verspannt.«
    »Kein Problem.«
    Früher hatte sein Vater das immer gemacht.
    Sascha trat hinter sie und begann, ihre Schultern und ihren Nacken zu massieren. Die Muskeln waren bretthart.
    »Das ist echt toll«, sagte sie nach einer Weile. »Du rettest mir das Leben!«
    Sascha lächelte.
    Mehr und mehr erfüllte der Duft von geschmolzenem Käse, Oregano und Basilikum die Küche. Schließlich schnarrte die Uhr am Herd. Sascha ließ von den Schultern seiner Mutter ab und ging zum Ofen, um die dampfende Pizza aus dem Rohr zu holen. »Perfekt.« Beim Anblick von Tomaten, Zwiebeln, Oliven, Schinken und Peperoni lief ihm das Wasser im Mund zusammen. Er lud ein großes Stück auf jeden Teller, und sie stürzten sich gierig darauf.
    »Hast du inzwischen über meinen Vorschlag nachgedacht?«, fragte seine Mutter nach einer Weile.
    Sascha senkte den Blick und gab ein unbestimmtes Brummen von sich. Die ganze letzte Woche hatte sie kein Wort mehr darüber verloren, deshalb hatte er schon gehofft, sie hätte die Sache vergessen. Aber war ja klar:
So was
vergaß sie nie.
    »Hast du?«
    Nebenan erklang lautes Hämmern. Fünf, sechs, sieben Schläge, dann war es wieder ruhig.
    »Was soll denn das bringen?«
    »Ich weiß nicht, was du hast, Sascha. Es ist keine Schande, sich helfen zu lassen. Ich war gleich nach Papas Tod doch auch beim Psychologen. Denkst du deshalb schlecht von mir?«
    Unwillig schüttelte er den Kopf. »Nein.«
    »Vielleicht reichen ja schon ein paar Gespräche. Dr. Androsch ist ein anerkannter Spezialist für Jugendliche. Wenn bei Jugendstrafsachen ein Gutachten gebraucht wird, ist er fürs Gericht die erste Adresse.«
    »Ich bin aber keine Jugendstrafsache.« Das kam schärfer raus, als er es gewollt hatte, aber seine Mutter ließ sich nicht aus dem Konzept bringen.
    »Hauptsächlich ist er Therapeut, nicht Gutachter. Wir fragen ihn nur um Rat, wenn Jugendliche im Spiel sind. Normalerweise kriegst du bei dem Mann gar keinen Termin, schon gar nicht so kurzfristig. Das hat er nur mir zuliebe gemacht. Er ist wirklich total nett. Du wirst ihn mögen.«
    Während der Dr.-Androsch-Werbeblock an ihm vorüberplätscherte, zerstreute Sascha sich, indem er mit der Gabel eine Olive auf dem leer gegessenen Teller hin und her schubste.
    »Na, was sagst du?«
    Sascha blähte die Backen und stieß
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